ZUSAMMEN

„2017”*, Folge 24, 11. Oktober. Der Hollywood-Mogul Harvey Weinstein wird geächtet. Weil er immer regen Verkehr auf seiner Besetzungscouch betrieb, trennt sich auch Ehefrau Georgina Chapman von dem 65-Jährigen. Später fliegt er bei allen Filmern raus und kriegt keinen Platz mehr in den schicken Restaurants der Stadt. Jetzt wird das Schwein geschlachtet. Mal sehen, wann Trump etwas twittert.

 

Donnerstag. Immer donnerstags um halb elf Uhr:

Sie wollen sich nicht beherrschen. Reden nicht viel. Zerren an Reißverschlüssen, nesteln an Knöpfen, reißen den Rock nach oben, ziehen den Slip hinunter zu den Fesseln, packen das Geschlecht des Anderen aus, knien sich vor die Scham, stellen sich rittlings an den Hintern, legen sich mit gespreizten Beinen auf den Esstisch.

Sie nehmen sich keine Zeit. Es muss sein. Sie schwitzen und keuchen und machen es schnell, laut, Wörter-los.

Wenn es getan ist, sind sie verkeilt, erschöpft, erschlafft.

Sie liegen dann auf der Couch oder im Bett. Ineinander geschmiegt, langsam finden sie die Sprache wieder.

Reden über ihre Liebe und das Begehren, schwören sich Dinge. Sie haben jetzt Zeit, genüsslich erzählen sie sich Kleinigkeiten, breiten das Leben der letzten sieben Tage vor dem Anderen aus.

Mittag ist es nun. Er steht im Bademantel am Herd und richtet die feinen Sachen aus dem KadeWe an. Oder er kocht. Er ist wie ein eifrig spielender Junge bei der Sache, gerührt sieht sie ihm zu.

Gegessen wird im Bett. Es gibt Wein aus Frankreich, weißen. Er serviert ab, das Geschirr stapelt sich in der Spüle. Er sagt, irgendwie müsse man das doch hin bekommen, die Sache mit der Spülmaschine. Anfangs lacht sie ihn aus, in der DDR spüle fast jeder mit der Hand, es gebe zwar Klarspüler im Laden, aber sie kenne niemanden, der die Maschine dazu hat. Nach einem Jahr hat er Mandy so weit: Sie legt ihm den Genex-Katalog vor, man bestellt eine West-Maschine, von da an muss er sich nicht mehr die Hände schmutzig machen. Wäre doch nicht nötig gewesen, sagt sie. Das sagt sie immer: Bei Dessous und guten Weinen, bei Pralinen und Schmuck, als er sich am Wartburg beteiligt…

„Wäre echt nicht nötig, Schatz.“

Nachmittags machen sie Liebe. Langsam und ohne Hast. Sie lassen sich vieles einfallen.

Es wird Abend. Rotwein und Knabberei, dazu Fernsehen. Um zehn öffnet sie die Wohnungstür einen Spalt und lugt auf den Gang.

„Du kannst. Mach’s gut, mein Schatz. Ich freu‘ mich auf Dich.“

Durchs schwarze Berlin zum Alex. Friedrichstraße. „Tränenpalast“. Grenzwächter und ermattete Grenzgänger.

Gegen Mitternacht: BRD.

Lichter. Buntes Treiben. Aufgekratzte Nachtschwärmer. Eddy hat einen langsamen Schritt. Alles Scheiße.

 

Manchmal treffen sie sich in fremden Wohnungen. Die gehören Freunden, die Urlaub machen, sagt Mandy. Manchmal nehmen sie auch den Wartburg und fahren in eine Datsche am Müggelsee. Dort können sie laut sein, nie sind Nachbarn zu sehen. Fußgänger gibt es auch nicht. Es ist das Ende der Welt. Sie kommen in die Hütte, und es müffelt gebraucht. Sie lieben sich einen Tag lang, dann ist es heimelig und riecht nach Sex.

An diesen Tagen trinkt sie nicht und fährt ihn im Wartburg nach Mitte. Ein paar Blocks vom „Tränenpalast“ entfernt lässt sie ihn aussteigen.

Alles Scheiße.

 

Sie gehört zum Reisekader. Wenn sie zum Übersetzen muss, fliegt er nach. Er hat eben etwas zu recherchieren – Ost-Business. Abends drückt er sich in ihr Hotelzimmer und verlässt es vor dem hellen Tag. Während sie arbeitet, geht er spazieren.

Das ist Scheiße.

 

Sie ist ein Erkältungstyp. Wenn es sie erwischt, dann pflegt er sie. Räumt die Wohnung auf. Kocht Tee. Legt Wickel um die Waden. Sorgt dafür, dass sie einschläft. Setzt sich in den Sessel, von dem aus er das Bett im Blick hat und guckt DDR-Fernsehen. Um zehn sieht er nach, ob sie gut zugedeckt ist und fährt zurück in den Westen.

Sex hat er nicht gehabt. Aber das Gefühl, dass es ein guter Tag gewesen ist. So normal. So zusammen.

 

Manchmal sagt er, er werde sie raus holen. Sie antwortet nicht. Also wird er wieder stumm.

Alles Scheiße.

 

*“2017“ beginnt in der Kalenderwoche 38 des Jahres 2017 und endet am 31. Dezember. Thema: 105 Tage Deutschland. Unterwegs in der „Heimat“.