ZEIT MIT DAD


22. märz 2017        ——-        DER NEUE, Tag 62

New York, 1980

 

Anfangs hat Vater sein Büro bei uns zuhause in Queens gehabt. Durch die hintere Tür der Bibliothek ging es in einen weitläufigen Raum mit großen Fenstern. Draußen Terrasse, Rasen, Rosenbeete, Bäume, Büsche, Hecken. Schmetterlinge, Bienen, Vögel, Eichhörnchen.

Vater hatte einen riesigen Schreibtisch, ein Möbel wie ein Gebirge. Tag und Nacht brannte eine Lampe mit grünem Schirm, links (vom Vater aus gesehen) war das Telefon, rechts stapelten sich Papiere.

Fred T. sen. griff einen Vorgang, studierte das Geschriebene, dabei hatte er waagrechte Falten auf der Stirn. Wenn er zu Ende gelesen hatte, sah er hinaus zu den Eichhörnchen und dachte nach. Anschließend griff er einen Stift und schrieb etwas auf die Akte. Er ordnete die Papiere und legte sie akkurat neben dem Telefon ab.

Manchmal klingelte es. Er redete mit dem Anrufer, leise, mit tiefer Stimme. Ich habe ihn in seinem Büro selten aufgeregt erlebt. Vater war wie ein guter Kapitän, der ein großes Schiff souverän zum nächsten Hafen steuert.

Wir Kinder durften Dad fast immer besuchen. Es war ja genug Platz im Büro. Wir verkrümelten uns in eine Ecke und spielten. Oder lasen. Später gab es ein Tischchen, auf dem wir die Hausaufgaben machten.

Maryan, meine ältere Schwester, war nicht besonders scharf auf Vaters Büro. Sie blieb lieber mit ihren Freundinnen in ihrem Zimmer. So hatte ich die Zeit mit Dad für mich. Es hat mich nicht gestört, dass er nicht mit mir redete. Er war da, seine Telefonstimme machte mir ein Behagen, seine Konzentration auf die Papiere gab mir eine große Ruhe.

Ich schob meine Autos hin und her, studierte Bilderbücher, lernte die ersten Buchstaben, malte Hunderte von Bildern (allesamt Geschenke für Jane, die Eltern machten sich nichts daraus).

Ich hatte eine gute Zeit.

Als Don aus dem Krabbelalter heraus war, wurde es freilich eng. Der kleinere Bruder nahm Dads Büro lärmend in Besitz. Er spielte laut und brauchte viel Platz. Ihn kümmerte nicht, ob Vater telefonierte oder sinnierend in den Garten blickte.

Donald machte Krach und Unruhe. Es war nicht mehr schön in dem Raum.

So zog ich mich lieber in den ersten Stock zurück, wo ich die Tür hinter mir zuziehen konnte.

Ich merkte kaum, dass Fred T. sen. ein neues Büro bezog, als die Geschäfte immer besser liefen – nun machte er seine Millionen anderswo.

Ich würde nach meinem Studium in diesem „Anderswo“ landen. Nun war es an mir, das Dollar-Scheffeln zu lernen.

Morgen: Grauen in Gravesend