WIE ISSES?

berlin, 8. juli 2015

Im “Ypsilon” an der Potsdamer Straße spielen sie Grexit. Vor dem Kempi haben sich zwei Menschen sehr lieb. Micaela Schäfer ist nackt gewesen – sind das in diesem Jahr des Kaisers Kleider? Im Horrorhaus in der Grunewaldstraße haben sie sich heute nicht gehauen. Der Fall des unbekannten Toten im Koffer ist gelöst.

Und es gibt rund um Berlin noch immer eine Welt.

So ist das am 8. Juli 2015.

Grauer Himmel, gemasert. In der Nacht könnte es gewittern. Ein Kellner steht im “Ypsillon” und hat ein leeres Gesicht. Man spielt Griechenland in dem Restaurant an der Potsdamer Straße. Keine Musik. Nichts zum Essen und zum Trinken auf den Tischen. Keine Gäste. Der Kellner ist über den Punkt hinaus, an dem er sich beschissen fühlt. Frau Merkel und Herr Tsipras gießen sich an irgendwelchen Konferenztischen Kafee nach und essen Kuchen, dann reden sie nächtelang und fliegen wieder in ihre Parlamente. Aber in Griechenland und im Ypsilon” an der Potsdamer bleiben die Tische leer.

So isses nun mal.

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Weit sind sie gekommen, die Zossen der Trojaner.

Die Frau, die mit ihrem Gatten vor dem Kempinski sitzt, wird nicht mehr lange leben. Sie hat die wissenden Augen einer Sterbenden. Ihrem Mann steht die Angst im Gesicht. Es ist drei Uhr nachmittags, und die Menschen rennen an den Beiden vorbei durch ihre Leben. Die Frau und der Mann halten sich bei den Händen und sehen nur sich. Manchmal stoßen sie mit dem Roséglas an. Dann deutet er auf einen geckenhaften Passanten und sagt etwas. Sie guckt auch hin – der Typ sieht wirklich lächerlich aus – und beginnt zu glucksen. Aus dem kleinen wird ein großes Lachen, ihr Mann lacht jetzt auch. Sie haben sich und diesen Moment sehr lieb. Man weiß ja nicht, wie oft man noch so etwas erlebt.

So isses nun mal.

Andernorts sind die Menschen ganz aufgeregt. Es ist Fashion Week. 200.000 Besucher erwartet der Berliner Senat  zur Modewoche. Die Leute kommen zur Premium am Gleisdreieck in Kreuzberg, zur Panorama auf dem Messegelände in der Nähe des Funkturms und zur Bread & Butter in den filmreifen Gebäuden des Flughafens Tempelhof, südlich der Innenstadt. Man hat schon Micaela Schäfer gesehen, die sich erwartungsgemäß nackig machte. Und auch Barbara Becker hat sich flächendeckend angesagt. Gar nicht zu sprechen von Guido Maria Kretschmer, Wolferl Joop und der “Bunte”-Redaktion. Klar die wollen adabei sein.

So isses nun mal.

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Darf’s ein bisserl weniger sein? Bei Micaela Schäfer schon.

In der Grunewaldstraße machen die Menschen nicht mehr den ganz großen Bogen um das “Horrorhaus”, auch die Polizisten sind nicht mehr sonderlich interessiert. Die vielen Rumänen, die die Gegend unsicher gemacht haben, scheinen verschwunden. Und die, die noch vor Ort gesehen werden, sind matt. Die Hitze hat sie mürbe gemacht. Eigentlich werden sie auch nicht mehr gebraucht – die verbliebenen Mieter aus früheren Tagen sind nur noch müde, verängstigt, erbittert, wollen weg. Und dann könnte man endlich richtig luxussanieren. Dann hätte der Schrecken gesiegt.

So isses nun mal.

Die Polizei feiert sich selbst: Am 19. September 2014 entdeckten zwei Männer einen Rollkoffer, der auf dem ehemaligen Gelände des Spandauer Güterbahnhofs versteckt war. Inhalt: ein Toter. Jetzt weiß man, wer es war.
Der Mann lebte bis zu seinem Tod mit seinem Sohn in einer Wohnung in Spandau. Als der damals 72-Jährige im Sommer 2013 in der Wohnung eines natürlichen Todes verstarb, war der Sohn einfach nur überfordert. Nach ein paar Tagen legte er seinen verstorbenen Vater in einen Koffer und stellte den dann in der Ruine ab. Der heute 39-jährige “Täter” hat keinen Wohnsitz und ist jetzt wegen Betrug und Verstoß gegen das Bestattungsgesetzes dran. Strafe muss sein.

So isses nun mal.

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Der Große Bruder sieht alles. FOTOS: BARBARA VOLKMER

Isses so, in Berlin und Umland? Wie isses wirklich? Das “Journal” sieht sich um. Morgen beginnen die kleinen Reisen durch den “SOMMER ZWANZICHFUFFZEHN”.