BUH!

münchen, 7. juli 2015

Es ist wieder brüllheiß gewesen. An diesem Dienstag werden auf dem Münchner Marienplatz um zehn Uhr abends 30,5 Grad gemessen. Aber es sind Gewitter im Anzug. Endlich! Das wird die Münchner abkühlen. Und die brauchen das dringend.

Vor allem die Freunde der bayerischen Oper.

Denn da ist es in dieser Woche besonders heiß her gegangen.

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An dieser Stelle nur Bilder eines Highlights des bayerischen Opern-Sommers:

Heute ist der Regisseur Andreas Dresen abgewatscht worden. Er hatte bei den Opernfestspielen „Arabella“ von Richard Strauss inszeniert – und das hat Jörn Florian Fuchs vom Deutschlandfunk so gar nicht gefallen:

„Zugegeben, der Abend war nicht gerade provokativ. Aber dafür wenig komplex und langweilig. Filmemacher Andreas Dresen rettete sich bei seiner dritten Opernregie ins Abstrakte, er ließ sich von Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau ein Ungetüm aus Treppenteilen bauen, die sich im Verlauf der drei Akte mehrfach verändern und immer andere, aber ästhetisch keineswegs wirklich neue Spielräume schaffen. Nebenfiguren tapern auf und ab, die Protagonisten bleiben meist im sicheren Erdgeschoss und stehen dort herum.“

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In Oberammergau hat Christian Stückl mit den Leuten aus dem Dorf einen “Nabucco” vom Feinsten einstudiert.

Fuchs, der verärgerte Kritikaster, kriegt sich gar nicht mehr ein:

„Hüllen wir nun besser den Mantel des Schweigens über die Regie und übergehen die unglaublich schmierig choreographierte Orgie rund um eine gewisse Fiakermilli – und wenden uns der Musik zu. Im Graben sitzt das Bayerische Staatsorchester und spielt tadellos, technisch perfekt. Doch am Pult steht mit Philippe Jordan das nächste Problem des Abends. Der Schweizer Dirigent versteht die Partitur offenbar als Werkzeugkasten, aus dem man sich beliebig bedienen kann. Es gibt kein wirkliches Konzept. Manchmal tönt alles grob und laut, dann wieder vergraben sich Jordan und die Musiker zu sehr ins Motivgestrüpp.“

Auwehzwick, das sitzt! Sowas liest man nicht gern in München. Zumal es gerade mal eine Woche her ist, dass Christiane Pohle mit ihrer Inszenierung von Claude Debussys “Pelléas et Mélisande” im Prinzregententheater das Münchner Publikum nachhaltig verunsicherte. Die Süddeutsche beklagte einen „hoffnungslosen Sanierungsfall“.

AZ-Mann Robert Braunmüller wiederum versuchte sich in gelassener Toleranz: „Das Bayerische Staatsorchester unter Constantinos Carydis hinterlässt diesmal eher zwiespältige Gefühle. Die hauchzarte Musik tönt bisweilen arg handfest. Fahle, abgeblendete Mischungen interessieren Carydis weniger.

Es mag stärker als sonst von der persönlichen Gestimmtheit abhängen, ob man diese Aufführung großartig oder daneben findet. Und deshalb gab es nach längerer Zeit wieder eine Schlacht zwischen Buh und Bravo, die unentschieden ausging.“

Echt? Unentschieden? Da hat Braunmüller schlecht hingehört.

Die Münchner buhten sich die Kehlen wund.

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Die Solisten brachten die große Welt ins kleine Dorf.

Irgendwie haben die Bayern in diesen Opern-Tagen einen schlechten Lauf. In Aix-en-Provence erklärte der Intendant des Residenztheaters, Martin Kusej, dass er richtig sauer sei. Er musste seine Inszenierung von Mozarts „Entführung aus dem Serail“ ein wenig entschärfen. „In meiner Version gab es kein Happy End für die zwei Liebespaare, stattdessen werden am Ende vier Säcke auf die Bühne geworfen, in denen die Köpfe der Protagonisten stecken. Nach dem Terroranschlag bei Lyon, bei dem ein Mensch enthauptet wurde, war das der dortigen Intendanz zu heikel.“

Bei allem Verständnis für die besorgten Kollegen: Das ging Kusej denn doch zu weit: „Das sind schon deutliche Eingriffe, die meine Inszenierung entschärfen und sie insgesamt auf ein gut konsumierbares Niveau herunter pegeln“

Na, dann soll er zurück kommen ins Bayernland. Da fürchtet man sich nicht vor politischen Anspielungen. In der erzkonservativen Provinz zumindest. Der Regie-Wüterich Christian Stückl hat in seinem Heimatort Oberammergau mit „Nabucco“ einen Kriegsschauplatz – wie geschaffen für „Homeland“ – auf die Passionsbühne gezaubert.

Das ist nun ein wahrlich heißes Spektakel unter gewittrigem Ammergauer Himmel. Volle Hütte, fast 5000 begeisterte Zuschauer. Keine Scheu vor großen Bildern, großen Tönen, großen Gefühlen.

Da kann man nur sagen: Chapeau, Meister Stückl!

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Und auf der Passions-Bühne wogte wild das Leben. Echt klasse! FOTOS: BARBARA VOLKMER