VOM SIEGEN

Berlin, 1. november 2016

Uff! „vettensjournal“ nimmt den Betrieb wieder auf.

In den vergangenen Monaten waren die Kräfte gebunden. Sechs Bücher sind seit Beginn des Jahres in der Schreibstube in der Schöneberger Hauptstraße entstanden – es war eine Langstreckenveranstaltung der besonderen Art. Neben der Biographie des neuen Bayern-Trainers Carlo Ancelotti und einem Bändchen über die Erfolgs-Akkordler von der Isar (beides erscheinen im Riva Verlag) brachte „Die Werkstatt“ Vetten-Bücher über die Fußball-Europameisterschaft, die Olympischen Spiele und die Paralympics in Rio auf den Markt.

Schließlich habe ich ein Projekt realisiert, an dem ich seit 15 Jahren arbeite. „Die Werkstatt“ hat sich an die Biographie des 16fachen Paralympics-Siegers Gerd Schönfelder gewagt. Das Buch trägt den Titel „Sieger“ – und ich freue mich, dass ich mich drüber freue.

Der Gerd hat ein Buch verdient.

Gerd Schönfelder, alpiner Skirennläufer, ist der erfolgreichste deutsche Behindertensportler. In Spanien hat er im Herbst  seinen Spezl Johannes B. Kerner bei einer Partywoche olympischer Gewinner getroffen, und der meinte: “Gerd, aus Deinem Leben muss man ein Buch machen.”

„Ist schon erledigt“, hat der Gerd gesagt. „Grad ist es fertig geworden, das Buch.“ Er hat dem Kerner ein Exemplar in die Hand gedrückt, der hat’s gelesen und gemeint: „Genauso isses, genauso bist Du.“

“Sieger” handelt von einem sportbegeisterten jungen Mann aus der Oberpfalz, der unter den Zug gerät und sich mit einem abgerissenen Arm im Arm zurück zum Bahnhof schleppt.

An der Schulter wird eine Prothese angepasst, doch Schönfelder mag sie nicht, weil er sich damit so behindert vorkommt. Dann sagt ihm eine Freundin, ihretwegen bräuchte er das Teil nicht anzuziehen. Da kommt es in den Schrank.

Der andere, linke, Arm wird an der Hand schwer verstümmelt – retten können die Ärzte in einer Not-OP einen Finger. Um eine “Greifzange” zu bauen, schneiden ihm zwei Teams von Neurochirurgen einen Zeh vom Fuß und verpflanzen ihn an die Hand. Die Zange funktioniert so gut, dass Gerd jedes Fingerhakeln gewinnt.

„Sieger“ handelt vom Weitermachen. Das Buch erzählt von einem, dessen Motto lautet: Lieber Arm ab als Arm dran! “Sieger“ handelt von unbeugbarer Zuversicht, einem überlebensgroßen Willen und einem Selbstbewusstsein, das gesund macht.

Schönfelder wird Rennläufer, gewinnt Gold im Akkord (seinen letzten Olympiasieg feiert er in der selben Stunde, in der in Deutschland sein Sohn zur Welt kommt), ist ein Eroberer der Herzen. Da gibt es zum Beispiel folgende Geschichte, die beschreibt, wie der Gerd auf die Menschen wirkt:

Er wird fürs WM-Finale der Fußballer nach Japan eingeladen. Als er in Köln auf den Flieger wartet, entdeckt ihn die Kanzler-Gattin Doris Schröder-Köpf. Sie lässt ihre Bodyguards stehen.

„Der Gerd! Das ist aber schön. Weißt noch, wie wir auf dem Presseball Walzer getanzt haben?“

Logisch sagt er. Jederzeit wieder gern.

Warum nicht gleich?

Logisch. Also tanzen sie in der Abflughalle ohne Orchester einen Walzer – linksrum, rechtsrum – und haben ihre Gaudi. Danach bekommt der Gerd von der Doris ein Upgrade in die Kanzler-Kabine, er tröstet sich bei der Party nach dem Match mit den DFB-Kickern über die Niederlage hinweg.

Mit Rest-Alkohol geht’s zurück nach Deutschland. Der Kanzler und der Schily, ein paar Banker und der Gerd erzählen sich Männerwitze, dann wird eine Runde gepennt.

Als Gerd Schönfelder aufwacht, blickt er in die Augen einer sehr freundlichen Stewardess. Sie lächelt allerliebst und flüstert. „Schönen guten Morgen, Herr Schönfelder, ich hoffe Sie haben gut geschlafen.“

„Ja, aber wie….?“

„Die Kanzlerin hat Sie zugedeckt und auf Sie aufgepasst.“

Ja, dann ist ja alles gut.

So ist er, der Gerd Schönfelder. Ein Sieger eben.

Von morgen an bis Ende des Woche in „vettensjournal“: Auszüge aus „Sieger“.