VOM GLÜCK

berlin, 18. februar 2015

Hoppla, Dusel gehabt! In Reinickendorf endet am einem sonnigen Februartag die Odyssee eines Bayern-Burschen, der tagelang auf der Suche nach dem Glück in der Preussen-Hauptstadt unterwegs gewesen ist. Er hat gespielt und gespielt – er hat das letzte Hemd versetzt. Dann war er am Ende. Fast am Ende war er…

Herbert ist erschöpft. Er steht im Reinickendorfer Pub “Unser Alte 50” (geöffnet 16 bis 22 oder ??? Uhr) und findet vor Müdigkeit nicht mehr ins Hochdeutsche.

Aber er muss jetzt reden. Geduldig hören ihm die Anderen (ein Alter, der nebenbei zitternd Geld in den Spielautomaten steckt; zwei arbeitslose Profi-Trinker; eine sogfältig geschminkte Frau, die in sehr engen Leggins steckt und unangenehm laut lacht; der Wirt und die Wirtin, die eifrig nachschenken) zu.

Der Mann heißt Herbert, kommt aus München und ist in Berlin auf Montage. Jetzt hatte er ein paar Tage frei – und das hat ihn fast ins Verderben gestürzt.
Nachfolgend der in die Schriftsprache übertragene Bericht von Herbert, dem Hasardeur:

“Also,  ich hab frei gehabt. Und weil Fasching ist, bin ich hier geblieben. Der Fasching ist in München für mich immer ein bisschen gefährlich. Da hauen sie alle auf den Putz, und ich kann mich nicht zurück halten. Ist schon ein paar Mal sauteuer geworden, so ein Fasching in München.

Naja, ich bin am freien Tag aufgestanden und hab’ gedacht, ich mache erst einmal einen zünftigen Frühschoppen in der Stadt. Bin zum Alex gefahren, ins ,Hofbräu’ rein. Drei Weißwürscht’ habe ich gehabt und drei Weißbier, grad gemütlich ist es gewesen. Eine nette Bekanntschaft habe ich auch gehabt, das waren Japaner oder so.

 

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Glück ist ein kurzer Rausch.

 

 

Mit denen bin ich dann bis in die Nacht unterwegs gewesen. In Mitte haben wir uns aus den Augen verloren, ich habe mich da auch nicht so ausgekannt.

Naja, mit dem Nachtbus nach Charlottenburg. Dort hat’s mich in eine Bar verschlagen. War ein teurer Spaß – ich habe fürs Pils fast 20 Euro gelöhnt, und drei Sekt für die Damen sind auch noch auf den Deckel gekommen.

Danach war ich fast blank. Aber ich habe so dieses Faschings-Gefühl gehabt: Da kann ich dann nichts machen, da gibt es keine Grenzen mehr. Ich bin zum Geldautomaten und habe 400 abgehoben.

Bin nicht mehr in die teuren Schuppen. Kein Bock auf Damen, ich habe nur meine Gaudi haben wollen.

Zuerst ein paar Frühlokale, später eine Bier-Spezialitäten-Wirtschaft auf dem Kuh’damm. Immer nur Weißbier, kein Schnaps. Man muss ja die Kontrolle haben.

 

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Gewinne garantiert. So heißt es.

 

 

Blöd nur, dass da überall die Automaten an der Wand waren. Ich sag’ Dir, wenn Du da nicht aufpasst, merkst Du gar nicht, was mit Deinem Geld passiert.

Richtig sauer bin ich geworden, als ich am Vormittag ins Portemonnaie geschaut habe. Nur noch 150 Euro – da hat’s mir den Vogel naus gehaut.
In meinem Zorn bin ich oben am Ku’damm in so ein Casino. Da hat es keine halbe Stunde gedauert, bis nur noch das Geld für die U-Bahn und ein, zwei Weißbier übrig war.

Ich bin ziemlich fertig gewesen, ehrlich. Dieses Berlin ist eine rechte Scheiß-Stadt, habe ich mir gedacht, bin über die Straße in so eine Eckkneipe.

Da sind auch zwei von diesen Automaten an der Wand gewesen. Ich bestell’ein Bier und stecke einen Zwickel in ein Gerät. Mach’ einen Schluck und bin nur noch fertig mit der Welt.

Der Zwickel wird gefressen. Ich sag’ mir, jetzt ist es auch schon wurscht. Dann gehe ich halt zu Fuß heim, ist eh gut, treibt den Rausch aus dem Hirn. Also rein mit dem U-Bahn-Geld in den Automaten.

 

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Ku’damms Inferno.

 

 

Ich dreh’ mich zur Theke und will trinken. Da fängt es hinter mir an zu klingeln und zu scheppern und Lärm zu machen. Ich schau’ zu dem Automaten – und Du glaubst es nicht:

VOLLBILD!

Die Scheiben drehen sich weiter – und:

DREI SONNEN!!!

Ich krame viel Geld aus dem Automaten füttere den anderen, jetzt laufen beide heiß. Die hören überhaupt nicht mehr auf. Gewinne, Gewinne. Das rauscht nur so.

Ich krame die Münzen raus und gewinne weiter. Irgendwann ist in den Geräten kein Kleingeld mehr. Aber auf dem Display stehen noch über 400 Guthaben. Ich ruf’ bei dem Betreiber, der auf dem Automaten seine Nummer stehen hat, an. Schmeiße ein paar Lokalrunden, während ich warte. Der Typ kommt irgendwann, zahlt mir meinen Gewinn in Scheinen und Zwei-Euro-Rollen aus.

Der König in der Kneipe bin ich. Lasse mir ein Taxi kommen. Jetzt vernünftig sein, sage ich mir. Und fahre mit mehr als 800 Euro in der Tasche hierher. Jetzt bin ich müde. Jetzt gehe ich heim.”

Herbert hat seine Geschichte beendet. Die Anderen sagen „Respekt“, er gibt noch eine Runde aus. Der alte Mann hat kein Geld mehr und lässt den Automaten in Ruhe.

Der hängt still an der Wand.

Dann kommt ein kleines Leben ins Gerät. Es gibt eine fiepende Melodie von sich. Herbert, der furchtbar müde Herbert, strafft sich.

“Ich hab’ eine Strähne” sagt er. “Bei einer Strähne darfst Du nicht auslassen.”
Er bestellt noch ein Weizen, geht damit zu dem Automaten und wirft das erste Geld ein.

Es rauscht durch. Kein Glück.

Herbert wirft zwei Münzen nach.

Wäre doch gelacht!