VOLLGAS

25. märz 2017          ———–           DER NEUE, Tag 65

New York, 1980

 

Ich fasse mich kurz.

Viel muss nicht mehr gesagt werden über meinen Bruder und über mich.

In den letzten Jahren ist die Sache nicht optimal gelaufen – für mich.

Zuerst hat es gut ausgesehen. Ich bin beim Vater aus dem Büro gestiefelt und habe mich anschließend für die Piloten-Ausbildung beworben.

Sie haben mich genommen, ich bin ein wunderbarer Flieger gewesen. Habe in der Landwirtschaft gearbeitet. Die Farmer haben mich verehrt, weil ich der Typ war, der seine zerbeulte Maschine geradewegs in die Gewitterwolken gesteuert hat. Dort habe ich Chemie verteilt und dem Hagel den Garaus gemacht.

Später hatte ich schöne goldene Streifen auf den Schultern meiner Kapitänsjacken. Die Passagiere vertrauten sich mir an – und nach der Arbeit nagelte ich im „Hyatt“/“Marriott“/“Hilton“ die Stewardess des Monats.

Es gab zwar in New York eine blonde Frau und zwei Kinder – aber das juckte mich nicht. Ich wollte was erleben. Wine, women and constant song, drunter machte es keinen Spaß.

Okay, das mit den Stewardessen strengte meine Frau ein wenig an. Und der Wein war ein Gegner, den ich unterschätzte.

Doch alles in allem ging es mir ganz gut, wenn ich morgens kalt geduscht und mir die Uniform angelegt hatte. Dann war ich immer noch ein passabel aussehender braungebrannter Kerl mit großem Charme. Und abends sang ich ohnehin das Hohe Lied auf mein Leben, Hauptsache, der Wein war dabei.

Donald hatte meinen Platz im Unternehmen und bei den Eltern eingenommen. Er war Stammhalter und Hoffnung. Für mich war das in Ordnung, ich gönnte dem Bruder die großen Deals und die Baustellen und die Geschäftsessen. Sollte er doch in die feinen Clubs von Manhattan gehen, in denen sich die Filmleute und die Stadtmafiosi mit den Politikern vermengten.

Alles schien bestens. Bis mich Donald zum Angeln einlud.

Vor eineinhalb Jahren war das. Naja, da ging es mir gerade nicht blendend. Meine Frau hatte die Schlösser am Haus austauschen lassen, in meiner Stadtwohnung lagen auf dem Tisch neben ein paar leeren Flaschen die Scheidungsunterlagen, die ich unterschreiben sollte. Ein Copilot hatte mich hingehängt, ich sei ein Trinker. Ich hatte einen doofen Termin beim Arbeitgeber.

Da lud Donald mich zum Fischefangen ein. Ich hatte ohnehin nichts vor, also sagte ich zu. Kaufte Alkohol, bis die Kühlbox voll war. Es war ein sonniger Samstag, als wir raus schipperten.

Morgen: In einem Boot