UNTER WAFFEN

13. februar, petersburg west virginia, 14 grad, heiter/lindow, 1 grad heiter     —–     winter 16/17, Folge 35

 

In Petersburg hat ein Korea-Veteran ein kleines Waffenmuseum eingerichtet. Du verlässt den Fork Highway über die Valley Lane, die in den Maple Drive mündet. Noch zwei Kurven bis zum Ende der Straße, vorbei an allein stehenden Anwesen – vor einem parkt auf der winterbraunen Wiese ein kleines Motorboot.

Dann bist Du da.

Im Paradies der Waffenleute.

Donald Trump mag diesen Menschenschlag, der war während der Wahlen eine sichere Bank.

Also, stolz dürfen wir präsentieren: das „Top Kicks Military Museum“ von Petersburg/West Virginia. Genügend Parkplätze gibt es immer, sogar eine Wendeschleife. Gereald Bland, der Besitzer, trägt am liebsten blau- oder rotschwarze Holzfällerhemden und Kappen im Tarn-Look. Er hat eine raue Stimme und ein männlich im Kampf des Lebens gealtertes Gesicht.

Er hat Korea überstanden, jetzt kann ihm keiner mehr was.

Waffen hat er schon geliebt, als ihn Dad mit zum Jagen nahm.

Waffen haben ihm in Asien das Survival erleichtert.

Als er zurück in die Heimat kam, begann die Sammelei. Anfangs hielten sie ihn noch für durchgeknallt – aber heute ist Gerald ein ganz Großer mit seinem Museum. Wie liebevoll er das alles eingerichtet hat:

Die Regale für die kleinen und größeren Handgranaten.

Die Schlafecke für einen Soldaten im Gefecht, da gibt es sogar ein paar Pinups und Fotografien aus der Heimat, außerdem auf dem Bord überm Feldbett eine Flaschenbatterie für Liebhaber jedweden Alkohols.

Die Petersburger Hängung von Gewehren aller Kaliber.

Die wunderschönen Stellagen für die Panzerfäuste.

Und vor der Halle stehen Gerealds Schätze aufgereiht. Jeeps. Sani-Karossen, eine fahrbare Raketenbasis, martialische Lkw, eine noble Limousine für die Generäle.

Und da steht auch der LTV Buffalo. Rostig, schlammbraun, Ketten statt Räder, ein bulliger Koloss fürs Kriegführen.

Wenn Gereald guter Laune ist, baut er sich zum Foto vor der Rückseite seines Lebenswerks – und in der Nähe seines „Buffalo“ – auf. Er grinst, weil er sich gern fotografieren lässt unter der Inschrift:

CIVIL WAR WWI

WWII KOREA VIETNAM

AFGHANISTAN DESERT STORM IRAQ

WELCOME

TOP KICKS

MILITARY MUSEUM

„Hey, Guys, ich erzähle Euch die Geschichte vom ,Buffalo‘, und seid sicher, danach versteht Ihr besser, wozu Waffen gut sind.“

 

 

 

Hinter dem Dorf Gühlen verlässt Du die Straße, lässt Dich auf einem Schotterweg durch märkischen Kiefernwald leiten, die Bäume lichten sich – und unvermittelt klotzt er da, ein mächtiger Vierseithof.

Die Gebäude brechen in sich zusammen. Die Ziegel, nackt, bröckeln. Die Haustür: seit Jahren nicht mehr geöffnet worden. Davor liegt knöcheltief Kleineisen. Schrauben. Muttern. Bänder. Federn. Draht. Nägel. Batterien.

Aus dem ersten Stock kommt eine Stimme. Ein Mann hält einen Vortrag und spricht wohl dabei gegen den Fernsehapparat an:

“Ich sach Dir, der Wolf steht bei uns schon vor der Tür. Von den Polacken kommt er. Aber wir geben uns nicht kampflos geschlagen. Weisst Du, was ich gemacht habe? Ich habe drüben am See ein Schild aufgestellt, da steht drauf ,Zum Biber’. Die wollen doch alle Biber reißen, die Wölfe. Dann lesen sie das Schild und latschen mir direkt in die Falle.”

Hehehe.

Das Lachen kommt von einem Anderen.

Nur der Raum, aus dem die Stimmen kommen, scheint bewohnt. Rings um den Hof rostet schweres Gerät.

Schweres, totes Gerät.

Traktoren ohne Räder. Traktoren mit Rädern. Räder ohne irgendwas. Ein Mähdrescher, aus dem eine Weide wächst. Zerrostete Eggen. Motoren. Morsche Silos. Lecke Tanks.

Noch ein paar Jahre, dann wird endlich Gras über diesen Friedhof gewachsen sein.

Der Besucher beginnt zu fotografieren.

“Da lässt Du schön sein, mein Freund!”

Im Kleineisen steht ein Mann. Er hat die Stimme, die von dem Wolf und dem Biber und dem Schild erzählt hat. Der “Hehehe” ist nicht da.

“Hier wird nicht fotografiert, verstehst Du! Was willst Du überhaupt hier? Privatbesitz – ist Dir das ein Begriff?”

Der Mann hat nur einen schwarzen Slip unter dem Mantel. Der Mantel ist voller Fett und Dreck, was Weißes und was Graues und noch ein paar andere Farben von Fremdstoffen gibt es auch noch.

Kräftig ist der Mann, knorrig und alt, er steht mit breiten Beinen in der eiskalten Sonne. Ein Penner-Gestank hüllt ihn ein, aus dem Mund riecht er übel – und wenn er böse lächelt, legt er zwei schwarze Stummel frei.

Ansonsten: zahnlos.

„Was willste, Bürschchen? Willste fotografieren? Willste was wissen? Soll ich Dir erzählen? Vom Krieg und von danach?

Na, dann setz‘ Dich her. ‘n Wodka? Nee?“

Dann eben nicht. Er zieht die Flasche aus der Manteltasche, nimmt einen Schluck und fängt zu erzählen an.

Von Waffen und so.

Morgen: Wölfe unter Wölfen