UM DIE WURST

berlin, 10. april 2015

Achtung! Skandal! Auf die Hauptstadt rollt wieder mal eine Welle der Erregung zu. Diesmal geht es um die Curry-Wurst. Und es geht um den Checkpoint Charlie. Und es geht um die Berliner Luft. Irgendwie und sowieso.

Die “Bild” deckt es heute auf. “Berlins berühmtester Grenzübergang verkommt zur Würstchenbude. Jetzt gibt’s den nächsten Plan: CHECKPOINT CURRY!”

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Hey man! Stop right here! It’s Wurst-time.

 

Da kriegste echt die Motten. Irgendwem ist eingefallen, dass man “aufräumen” müsse in Berlin Mitte. An der Friedrichstraße soll das passieren. Die Imibissbuden kommen weg, die Touristen werden domestiziert.

Endlich Ordnung an diesem Flecken Berlin – wo es zur Zeit nach Frittenfett und Thüringer Würstchen riecht, wo Touris orientungslos an einem Grenzposten vorbei irren, wo keiner die Schautafeln gebührend würdigt.

Schluss mit der babylonischen Verwirrung und der gastronomischen Verirrung!

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Nie in Berlin ohne einen knackigen Stopover an der Bude: Schauspielerin Gisela Uhlen.

 

Die “Bild” weiß, wie es wird:

“Ein Info-Container wird eine Art Werbe- und Eingangsberich für das ,Panorama’ sein.

Der zweite Container entsteht in Zusammenarbeit mit dem Currywurst-Museum. Dort sollen mehrere Varianten der Wurst präsentiert werden.  Der Sprecher des Mauer-Panoramas, Karsten Grebe: ,Wir bieten dezente Gastronomie an. Außerdem gehört die Currywurst zu Berlin wie die Berliner Mauer.’

Seit 25 Jahren wartet Berlin auf eine Neugestaltung dieses historischen Orts. Doch ein Provisorium ersetzt das andere.”

Damit, so seufzt die “Bild” erleichtert, ist ja jetzt wohl finito.

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Zu Mittag. After Work. Morgens um sechs. Einfach so, weil man Bock hat. Currywurst geht immer.

 

 

Die Wurst wird den Zoff, der sich da in der Hauptstadt anbahnt, aushalten, ohne dass ihr die Pelle – wenn denn gewünscht – platzt. Denn die Currywurst ist ja ein bisschen das Symbol für weltoffene Gelassenheit. Der Schriftsteller Uwe Timm – ein Evergreen, der gerade 75 geworden ist – hat sich dem Phänomen mit der wunderbaren Erzählung “Die Entdeckung der Currywurst” gewidmet. Später wunderte er sich selbst ein wenig über den Erfolg.

Er hat mal gesagt, dass ihn beim Schreiben einfach ein cooles Gefühl hingerafft habe:

“Es ist keine konkrete Person, die ich nachgeschrieben habe. Aber diese Frau, die den Imbissstand hatte, das ist meine Erinnerung, bei ihr habe ich als Kind 1947 eine Currywurst gegessen. Ich war oft bei dieser Tante und habe da in der Küche gesessen. Das ist in der Novelle beschrieben. Das ist eine sehr spannende Küche gewesen, weil da die Nutten saßen, die Schieber, buntes Volk. Außer der Tante gab es einen Onkel, der sehr viel Zeit für Kinder hatte. Mit dem muss ich an diesem Stand gewesen sein. Lena Brücker ist eine dieser wunderbaren Frauen, von denen es viele gab. Die haben den Großteil des Wiederaufbaus gestemmt, die waren sehr präsent damals.”

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Scharf auf Schampus? Kein Problem, Madame Frederic. Am Ku’damm kriegn’Se dit ooch.

 

Seit Timms Buch streiten die Fans, wer denn die Wurst erfunden habe. Sie streiten, wie scharf die Soße sein darf. Sie streiten, ob man die Wurst mit Schampus oder mit Flaschenbier konsumiert. Sie streiten, ob es an der Hermannstraße oder an der Schönhauser Allee die Besten gibt. Und sie werden streiten, was denn die Wurst mit dem Checkpoint Charlie zu tun hat.

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Klassischer geht es nicht. Curry in Kreuzberg.

 

Na und? Wie sagt Uwe Timm:

“Die Currywurst geht ihren Weg, hat sich längst von ihrem Urheber abgekoppelt. Der Streit zwischen Hamburg und Berlin darüber, wo die Currywurst erfunden wurde, reflektiert genau dies. Die Berliner regen sich immer noch wahnsinnig auf. Die haben jetzt einen Gedenkstein gesetzt, allerdings nur für eine bestimmte Soße.”

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Curry am Checkpoint? Ist doch Quatsch mit Soße. FOTOS: BARBARA VOLKMER

 Morgen: Hamburg kontert