QUATSCH MIT SOSSE

hamburg/berlin, 11. april 2015

In Berlin haben sie wieder eine neue “Baustelle”. Jetzt wollen sie den Checkpoint Charlie clean haben und im Zuge der Säuberung auf der Friedrichstraße dort eine geile Currywurst-Bude hochziehen, wo früher die Mauer Ost und West separiert hat. Denn bei dem Thema fühlen sich die Berliner echt stark: Currywurst – das ist ihr Ding. Daran ändert auch der Schreiberling Uwe Timm nichts, der die “Entdeckung der Currywurst” in die Hansestadt Hamburg verortet. Quatsch mit schaler Soße ist das, sagen die Berliner. “Die Wurst gehört uns.”

Schließlich haben sie “Konnopke” an der Schönhauser Allee. Mehr Currywurst, so behaupten Einheimische, geht nicht. Das Geschäft von Max Konnopke begann 1930 zunächst mit einem Bauchladen. Aus diesem wurden nach dem Krieg 1947 ein Wurstwagen und 15 Jahre später schließlich ein fester Kiosk. 

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Am Anfang war die Wurst.

 

Gleich nach dem Krieg hatte eine andere Bürgerin der Stadt eine Idee. Herta Heuer bot erstmals am 4. September 1949 an ihrem Imbissstand an der Ecke Kantstraße/Kaiser-Friedrich-Straße gebratene Brühwurst mit einer Sauce aus Tomatenmark, Currypulver und weiteren Zutaten an. So jedenfalls hat sie es bis zu ihrem Tod jedem erzählt, der es nicht hören wollte. Am 21. Januar 1959 wurde ihr auf ihre Anmeldung vom 21. Februar 1958 die Bildmarke „Chillup“ unter der Nummer 721319 als Warenzeichen für „Spezial-Sosse“ in die Zeichenrolle des Deutschen Patentamts eingetragen.

Das war sie also, die Currywurst. Helles Brät, eine darmlose, in Öl gesottene Bratwurst und eine hausgemachte Currysoße – basta. Jut is!

Und besser als in Berlin – das gibt es nicht. Basta!

Wirklich?

 

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Da sagte der Herr:

 

Erstens gibt es durchaus Zweifel daran, dass die Currywurst als Markenbotschafterin des Deutschen Reinheitsgebots ins Rennen geschickt werden sollte.

Michael Pollan zum Beispiel spürt da so ein Bauchgrimmen. Mit mehreren Bestsellern hat er sich zum wichtigsten Food-Philosophen der USA hoch geschrieben – und er erklärt:

“Die Wurst sieht aus wie früher, aber sie ist nicht mehr wie früher, sie kommt von Tieren, die anders gehalten werden, die anders essen, die mit Antibiotika vollgestopft werden. Das Problem ist, dass diese Dinge für uns unsichtbar gemacht werden. Ihre Currywurst ist ideal für die Strategie dieser Industrie: Man kann verstecken, was man wirklich macht. Keiner sieht es der Wurst an.”

Eigentlich sollte nun ganz Germanien wie ein Mann zusammen stehen, um den guten Ruf der Currywurst zu verteidigen. Doch was geschieht?

Man streitet.

Die Bayern wollen von dem “Konopke”-Zeug nix wissen, weil sie mit der Weiß- ihre eigene Problemwurst haben. Aber schon im Ruhrpott meinen sie, nur sie dürften das Hohelied des darmlosen Bratlings anstimmen. Das tut dann der Barde Herbert Grönemeyer, ein bekannt spaßfreier Zeitgenosse, der der “Currywuas” große Sinnlichkeit andichten will. Nicht sonderlich witzig sein Song, aber bis 3,0 Promille grölbar.

Der ehemalige Kanzler Schröder seinerseits hätte fast beim Regieren geschwächelt, weil seine Gattin ihm die Wurst verbieten wollte. Da hat er kurzerhand ‘ne Andere genommen, die mit ihm durch Wurst und dünn gegangen ist – jedenfalls bis vor ein paar Wochen. Nun muss/darf er das Brät wieder solo vertilgen.

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Kommet alle zu mir!

 

Aber Berlins erbittertste Konkurrenten sind die Hamburger. Auf der Mönckebergstraße haben sie einen Stand, in dem herrliche Würste ins Fett kommen, und die Soße ist lecker. Gestern standen gar zwei spanische Geschäftsleute – eine aparte Dame und ein Herr im Maßanzug – in der Frühlingssonnen und pieksten begeistert auch noch den letzten Fleischbatzen vom Pappteller. Und auch auf den “Alsterterassen” gab’s die Currywurst frisch. Dazu das Besteck in einer Papiertüte, auf der stand: “Das Leben ist schön.”

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Und sie kamen und fanden es gut.

 

Die Menschen flanierten, das Wochenende war so nah. Am Nachbartisch hatte einer Apfelkuchen. Der Mann genoss den Augenblick.

Und der mutige Wurst-Liebhaber? Der musste konstatieren, dass auch die Hamburger ab und an nur mit Wasser kochen oder mit dem falschen Fett braten. Die Wurst war so mittelmäßig, wie sie in den meisten Berliner Buden auch ist. Die Soße? Echt scharf war die auch nicht.

Aber was soll’s? Dem Esser an der Alster war das ziemlich wurst. Auch ohne Curry war das Leben schön. Und, wie man hört, schien zu dieser Stunde auch am Checkpoint Charlie die Sonne. Das lässt hoffen für Deutschland.

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Sie riefen: Es werde Wurst. Sie aßen und sie tranken. Und alles ward gut. FOTOS: BARBARA VOLKMER