ÜBERLEBENSKAMPF

2. februar 2017, washington, -13 grad, die sonne scheint/mieming, 7 grad, föhn macht das land schön     —-      winter 16/17, Folge 24

 

Als Donald Trump 14 war, hat er von seinem Dad Fred eine Menge übers Leben gelernt.

Erstens bekam er auf ein Festgeldkonto im Jahr 12000 Dollar überwiesen.

Zweitens musste er auf eine gute Schule und durfte die Lehrer nicht immer darauf hinweisen, dass er aus reichem Haus war (was ihn freilich nicht daran gehindert hat, einem Musik-Pauker eine aufs Maul zu geben, weil er angeblich seinen Job nicht ordentlich machte) .

Drittens hat er den Papa am Wochenende zum Miet-Eintreiben und auf Baustellen begleitet. Dort musste er Nägel aufsammeln, vergessene Münzen aus den Waschautomaten und Trocknern klauben und Lagerräume fegen. Er sollte das Arbeiten und das Überleben lernen.

Das hat sich ihm eingeprägt. „Ich bin durch und durch klug“, erklärt Donald Trump. „Und ich habe vor allem eines von meinem Dad übernommen: Ich bin paranoid, denn jeder versucht, mich übers Ohr zu hauen. Wenn mich jemand reinlegt, lege ich ihn auch rein. Aber zehntausendmal so mies. Das tut mir gut. Mann, ist das ein Gefühl.“

 

 

Der Tiroler Walter Stecher erzählt, was er so getrieben hat, als er 14 war.

„Der Amerikaner ist hier das Inntal herauf gekommen. Mit den Jeeps und mit den Panzern. Auf jeden Fall waren sie irgendwann endlich in Telfs. Wir haben ja schon lange drauf gewartet.

Wir haben um die Ecke von der Turnhalle gewohnt, 70 Meter waren das vielleicht. Du musst wissen, dass zu der Zeit, von der wir reden, da nicht geturnt worden ist. In der Halle haben die Nazis Mehl gelagert. Viel Mehl. Die Säcke gingen bis unter die Decke.

Hunger haben wir gehabt. Der Krieg ging zwar zu Ende, und die Amerikaner sind schon nahbei gewesen. Aber das hat uns ja nix geholfen, wir hatten einen saumäßigen Hunger.

Voll war die Turnhalle. Das haben wir gewusst. Aber es war auch klar, dass die letzten von der SS draußen am Inn im Hinterhalt gelegen sind und auf das Mehl aufgepasst haben.

Die Amis sind gekommen, zuerst mit einem Stoßtrupp. In der Früh um sechs sind die vorm Ort aufgetaucht. Schlaue Burschen sind das gewesen. Die haben sich schon ausgekannt,  die wussten, was jetzt kommt. Sie konnten sich ja denken, dass die Telfser in die Turnhalle mit dem Mehl gewollt haben.

Die Halle war in einem übersichtlichen Gelände. Da gab es kaum Häuser. Das war Ebene, auf den Feldern hat das Getreide noch nicht hoch gestanden zu der Jahreszeit. Es hat die Villa von dem Lodenfabrikanten Pischl gegeben, der hat um seinen Grund eine hohe Mauer ziehen lassen. Dahinter haben die SSler gehockt mit ihren paar Waffen und haben den Ami aufhalten wollen (der Pischl – der hat übrigens ein eigenes Flugzeug gehabt – war ja ein ganz Brauner, der hat bis zum Schluss vom Endsieg geredet und hat denen das Grundstück zur Verteidigung des Tausendjährigen Reichs überlassen).

Also, die Amerikaner rücken in der Früh um sechs an und suchen sich die beste Stellung aus. Du glaubst nicht, wie schnell die das Tal unter Kontrolle gehabt haben.

Das haben wir jungen Burschen gesehen. Hinten die SS, hüben und drüben der Ami – und vor unserer Nase die Turnhalle mit dem Mehl drin.

Ich war ein stangerdürres Bürscherl, aber geschissen habe ich mir nix. Bin von einer Deckung zur nächsten gesaust. Und die Amerikaner haben mir Feuerschutz gegeben. Immer wenn ich das Rennen angefangen habe, haben die mit ihren MG die Pischl-Villa und die Mauern unter Beschuss genommen. Da haben dann die SSler den Schwanz eingezogen und sich geduckt.

Und ich bin zur Turnhalle gekommen.

Tür auf. Rein. Mei, ein Paradies! Weißt Du überhaupt, wie schön so ein Mehl duftet? Na, des kannst nicht wissen, wennst nie einen richtigen Hunger gehabt hast.

Also, ich greif‘ mir einen Sack. Ich lüg‘ nicht, der hat 80, 90 Kilo gewogen. Aber wenn Du so einen Hunger hast, dass Du an nichts mehr denken kannst wie ans Fressen, dann schaffst Du alles. Da kommen die letzten Kräfte. Der Sack muss heim, er muss, er muss.

Ich den Sack auf den Buckel, die Haxn hat es mir von dem Gewicht zu einem O gebogen.

Raus vor die Halle. Und heimzu, von Deckung zu Deckung. Der Amerikaner hat mit der MG geschossen, dass sich die in der Pischl-Villa in die Hos‘ gemacht haben.

Tatatatata! Ich renne, ducke mich, verschnaufe, laufe wieder los. Tatatata!

Ein paarmal habe ich den Amerikanern zugewunken, so froh war ich über die.

Ich bin schon fast bei meinen Leuten, da kommt der „Munde“-Wirt mit seinem Pferdewagen. Will auch zur Turnhalle. Wie er aber das Schießen hört, kriegt er’s mit der Angst.

Sieht mich, fängt mich ab. Nimmt mir den Sack vom Rücken und lädt ihn auf seinen Wagen.

Ich war noch ein Bub. Und der Wirt ist bekannt dafür gewesen, dass er schnell einen her schlägt. Mit den Nazis war er immer ganz speziell – wenn einer in seinem Wirtshaus eine Wahrheit über den Hitler gesagt hat, dann ist das an oberer Stelle berichtet worden.

Ich stehe da, sehe meinen Sack auf dem Wagen und den Wirt, wie er dem Ross die Peitsche gibt.

„Du sollscht beim lebendigen Leib derfaulen“, habe ich gesagt. Er dreht sich nicht einmal um und fährt weg.

Was hätte ich machen sollen? Heulen und aufgeben? Das ist nicht gegangen – daheim haben sie auf das Mehl gewartet. So bin ich umgekehrt, nochmal nach der Halle gelaufen und habe einen anderen Sack geholt.

Auf den Buckel. Er ist so schwer, so schwer. Ich winke den Amerikanern, sie schießen mir den Weg frei. Tatatata.

Kein „Munde“-Wirt, der mir in den Weg kommt.

Endlich daheim. Ich lasse den Sack fallen und bekomme erst einmal etwas zu trinken. Ich glaube, die Mutter hat ein bissl geweint, wegen der Freude und der Angst um mich.

Die Mama hat den Sack aufgemacht und das Mehl aufgeteilt. Für alle Nachbarn hat es etwas gegeben.

Am Nachmittag hat es im Ort nach Brot gerochen.

Und weil unser Sack so leer war, dass keine Maus mehr was gefunden hat, bin ich noch einmal zur Turnhalle und habe die zweiten 90 Kilo geholt.

Mei, war das ein schöner Tag. Wir haben mal keinen Hunger gehabt – und der Zusammenhalt bei uns im Dorf war so groß, dass ich das Gefühl heute noch spüre.”