FÜHRERS HAND

1. februar 2017, washington, -11 grad, heiter/mieming, 2 grad, tiefe wolken      —–     winter 16/17, Folge 23

 

„Buy American, hire American“ – so läuft’s, hat Donald gesagt. Amerikanisch kaufen, Amerikaner einstellen, dann klappt es auch mit MAGA („Make America great again“).

Jetzt kommt so ein Aasgeier-Reporter vom britischen „Daily Mirror“, mietet sich für 800 Dollar die Nacht im „Trump International“ zu Washington ein, räkelt sich für den Fotografen auf dem Kingsize-Bett und deutet auf die Einrichtung. „Alles made in aller Welt“, nur nicht in Trumps Reich, hämt er.

Die Lampen aus China. Flatscreen-TV aus Mexiko. Laken und Handtücher aus Italien. Kanada hat die Badezusätze geliefert. Das Telefon ist in Malaysia hergestellt worden.

Da grient sich der Reporter eins und schlussfolgert für die Schlagzeile:

AMERICA LAST!

Au! Das tut dem Donald weh.

 

 

 

Walter Stecher weiß nicht mal, dass es sowas wie das Drecksblatt „Daily Mirror“ überhaupt gibt. Interessiert ihn auch nicht. Er sagt, der ganze Krampf mit Twittern und Mailen und Googeln geht ihm am Arsch vorbei. Und der Trump auch.

„Aber Ihr Jungen“, sagt Walter Stecher, „Ihr werdet schon sehen, was der für einer ist. Mit dem werdet Ihr keine Gaudi haben.“

Stecher sitzt im Haus seines Sohnes Günther, eines der besten Steindrucker der Welt, und erzählt, wie er mal von einem wie diesem Trump die Hand auf der Schulter hatte.

„Ich war nicht mal 13 zu der Zeit. Mit der Hauptschule war ich bald fertig, 54 waren wir in der Klasse, hatten ja nur einen Lehrer in Telfs. Der ältere Bruder war nach seiner Lehre als Mechaniker und mit dem Führerschein in der Tasche als Chauffeur nach Bregenz zum Arbeitsdienst für die Nazis kommandiert worden.

Und da gab es noch meine Schwester, die elf Jahre älter war als ich. Die konnte gut Steno und Maschinenschreiben und solche Sachen, die arbeitete als Sekretärin beim Gauleiter Hofer in Innsbruck. Wir haben uns selten gesehen.

Wir – die Mama, der Papa und ich – haben zu dritt in der Nähe der Turnhalle von Telfs gewohnt.

Der Vater war gelernter Schuhmacher. Im Krieg haben sie ihn beim „Jenny und Schindler“, in der großen Textilfabrik, als Maschinen-Capo eingeteilt. Da haben sie auf tausend Webstühlen Verbandsmaterial für die Kriegsopfer hergestellt.. Der Schindler war ja ein Schweizer, der hat am Ende des Kriegs drei riesige Flaggen mit einem weißen Kreuz anbringen lassen – damit sie ihn bei den letzten Angriffen mit den Tieffliegern nicht noch unter Beschuss nehmen.

Das mit den Fliegern haben wir ja schon länger gekannt. Die sind nach Reith bei Seefeld und wollten dort die Eisenbahnbrücke wegschießen. Haben sie aber nie getroffen. Sind immer wieder gekommen, im Sechserverband. Haben die Brücke bombardiert, sind noch ein Stück ins Tal hoch, über Telfs haben sie umgedreht. Naja, wenn sie noch eine Munition übrig gehabt haben, dann sind sie das Zeug bei uns los geworden.

Um zehn am Vormittag haben wir die Ersten gehört, das ging dann bis in den Nachmittag so.

Angst haben wir nicht gehabt. Die haben ja nix getroffen.

Für mich war das eine fade Zeit. Wir haben gewusst, dass der Krieg zu Ende geht. Ich habe es auch aus den Gesprächen der Eltern heraus gehört, wie sehr sie sich das wünschten.

In der Schule – ja mei, da bin ich nicht aufgefallen. Wenn es möglich war, haben wir gelernt. Aber im Herbst beispielsweise war die Schule nicht das Wichtigste. Da haben wir bei der Kartoffelernte helfen müssen – es waren ja keine Männer mehr da, die die Arbeit gemacht haben.

Und die Erwachsenen, die in Telfs geblieben waren, mussten in die Fabriken. Der Vater ging tagsüber zum „Jenny und Schindler“. Und wenn er heim gekommen ist, ist die Mutter los, zur Nachtschicht. Rund um die Uhr hat man da Verbände für den Krieg gewebt.

Die Eltern haben vor uns Kindern nicht übers Politische geredet. Das Wort „KZ“ habe ich nicht gehört.

Dass es einen  Krieg gegeben hat, haben wir an den Fliegern gemerkt. Und an den Südtirolern, die zu uns gebracht worden sind. Das waren vielleicht 150 Menschen, die drüben auf der anderen Seite vom Brenner ausgewiesen worden sind und jetzt einquartiert werden mussten.

Die Mama ist in die Kirche gegangen, jeden Sonntag. Der Papa war da nicht dabei. Er war ein Stiller, sie hat ihre Gefühle mehr gezeigt. Sie hat auch regelmäßig BBC gehört, weil sie in den letzten Kriegsjahren wissen wollte, wann der Feind endlich gewinnt. Da hat es dann so laut getan, wenn der Radio angegangen ist:

DaDa-Daam. DaDa-Daam.

Das hat man bis auf die Gasse gehört. Deswegen habe ich mich vor dem Haus neben den Brunnen setzen müssen und habe gepfiffen, wenn eins gekommen ist. Dann hat die Mama den Radio ausgemacht.

Sie waren gute Eltern. Haben halt nicht viel Zeit gehabt. Jede Familie hatte genug damit zu schaffen, über die Runden zu kommen. Die Eltern waren auch nicht streng, vielleicht waren sie einfach zu müde dazu.

 

Walter bringt Farbe ins Leben, Sohn Günther steht “Schmiere”. FOTOS: BARBARA VOLKMER

 

Manchmal ist die Politik bei uns zu Besuch gewesen. Weil, es war ja so: Die Schwester hat im Vorzimmer vom Gauleiter gesessen. Später hat man erzählt – also, mit später meine ich: nach dem Krieg -, dass der Gauleiter ein scharfer Hund gewesen ist.

Wir haben das natürlich anders mit bekommen. Die Schwester hat ein angenehmes Leben gehabt, in dem Innsbruck. Wenn sie erzählt hat, was es alles zu essen gegeben hat im Büro, und dass der Gauleiter nachmittags einen Kaffee und Kuchen fürs Vorzimmer hat bringen lassen – dann sind wir schon neidisch gewesen.

Nach dem Krieg ist die Schwester für ihre Zeit beim Hofer bestraft worden. Da hat sie in der Gemeinde die Klos putzen müssen.

Vielleicht, – das weiß ich nicht mehr so genau – habe ich es sogar dem Gauleiter zu verdanken gehabt, dass mir der „Führer“ einmal die Hand auf die Schulter gelegt hat.

Ich habe im Fanfarenzug geblasen. Eines Tages haben sie gesagt, dass ich und ein Telfser Freund ausgesucht worden sind, wir sollten mit vier Kollegen aus Innsbruck etwas für den „Führer“ einüben.

Der Tag ist gekommen, an dem Adolf Hitler sein Tirol besucht hat.

Also, wir spielen unser Stückl. Gut ist es gegangen. Danach sind alle ganz staad und warten, was der Hitler macht. Er lacht ganz freundlich und applaudiert. Da fangen dann alle das Klatschen an, ganz laut.

Der Führer ist auf mich zu und hat mir die Hand gegeben. Hat mir dann seine Rechte auf die Schulter gelegt, mir fest in die Augen geschaut.

Und ganz laut hat er gesagt, der hat ja so eine Soldatenstimme gehabt:

,Gut gemacht, Bub!‘

Ehrlich, Du, ich glaub‘, ich habe mir die Hand drei Wochen nicht gewaschen.“

Morgen: Trump, ääh, Hitler hat den Krieg verlor‘n