SUP-ERMARIO

TANZ DER VIREN II, Folge 92

Es ist mal wieder soweit.

„Parole Mittwoch“ hat es geheißen. Unsere Vier haben ihre Amphetamine aus den Blumentöpfen gebuddelt, die Morgenlage vor dem Frühstück genommen und sind in den Speiseraum geschwebt. Sie bedienen sich üppig am Büffet, setzen sich und haben viel zu lachen.

Das Leben ist einfach unschlagbar.

LINA: Kaffee. Bestes Kaffee von Welt.

FRANZ: Was kannst Du haben mehr? Sowas von lecker. So gut, wie wenn Katze Kaffeebohne frisst, wieder ausscheißt, und Bohne kommt zu Dallmayr. Teuerstes Kaffee von Welt.

LINA: Geh‘ Franz, bist Du widerlich!

JEREMY: Echt. Da kann mir der Kaffee gleich geschissen bleiben.

Man biegt sich vor Lachen. Ein paar Insassen grinsen, weil sie wissen, was Sache ist. Sie werden Spaß haben, unsere Vier.

JOSEF: KaffeeKaffeeKaffee! Haben wir doch gelernt, dass der Geschissene nicht der Beste ist.

LINA: Wie jetzt?

JOSEF: Könnt’s Euch erinnern an den Mario?

FRANZ: Mario? Mario? Mario?

JEREMY: Doch, doch. Du meinst den Itaker, den Mafioso, oder?

LINA: Da wird mir ganz träumerisch. Der Mario! Schöner Mann! Fast schwarz die Haare! Lang. Wie Seide. Bis an die Schultern. Und geduftet hat der Mario. Wahrscheinlich Guerlain. Immer schick, immer charmant, der Mario! Toller Mann!

FRANZ: Langt schon. Aber sag‘, was hat der Mario mit dem Kaffee zu tun?

JOSEF: Das hat der mir mal in der Küche gezeigt.

JEREMY: Ja, das war ja echt komisch. Der Typ hat schon nach drei Tagen in die Küche dürfen. Der hat alles dürfen.

FRANZ: Nein, das war überhaupt nicht komisch. Der hat alles gedurft. Und wir ham alle gewusst, warum. Jeden Nachmittag sind dem Mario seine Kumpel gekommen. Zuerst haben die die Pfleger besucht und kleine Geschenke gebracht. Danach ist am Personalraum die Tür zu gewesen und ein Schild hat dran gehangen. „Nicht stören! Übergabe!“ hat drauf gestanden. Durch die Ritze hat es nach Pizza und Zigarre gerochen. Die Spezl haben mit dem Mario zusammen gehockt und Dinge besprochen. Niemand hat sie gestört. Man hat gewusst, was los ist.

LINA: Ja, der Mario hat überhaupt net herher gepasst. Mei, war das ein toller Mann. Beste Manieren. Ein Mann von Welt.

JEREMY: So kannst es auch sehen. Wisst Ihr noch, wie er gekommen ist, der Mario? Am helllichten Tag.

FRANZ: Dir hat er doch erzählt, wie es passiert ist.

JEREMY: Ja, freilich. Und es ist nicht „passiert“. Der hat es drauf abgesehen, dass er eingewiesen wird.

LINA: Wie des?

JEREMY: Na, der kommt morgens von einem Zug durch die Stadt nach Hause. Bogenhausen, Villa in der Pienzenauer. Da flackt seine Alte mit einem Anderen in der Kiste. Der Mario ist ein Itaker, denen brennt da schnell die Sicherung durch. Er lässt den Lover so richtig durch, haut ihn krankenhausreif, sticht ihn, der Typ röchelt auf dem teuren Teppich um sein Leben. Der Mario ruft seinen Anwalt an und sagt, dass er Scheiße gebaut hat, was er machen soll, er ist ja auf Bewährung. Der Anwalt sagt, „ruhig bleiben!“, er wird Leute schicken, die kümmern sich um den Typen. Der Mario soll duschen, seine blutigen Klamotten den Freunden übergeben, sie kümmern sich. Sie werden auch alles sauber machen. Und dann kommt das Wichtigste, sagt der Anwalt. „Nach dem Duschen ziehst Du bequeme Sachen an. Dann gehst ins Wohnzimmer und saufst eine Flasche Wodka auf ex. Man holt Dich dann.“ So haben sie es auch gemacht. Er ist volltrunken nach Haar gebracht und ausgenüchtert worden. Dann hat er es sich bei uns gemütlich gemacht und gewartet. Täglich hat er seinen Besuch gehabt – nach einer Woche war er dann weg. Ich weiß noch, es hat geschneit an dem Tag. Der Mario hat Ausgang zum Spazieren gehabt. Man hat ihn in der dünnen Jacke an der Straße vorm Gelände gesehen, wie er eine geraucht hat. Dann ist ein schwarzer großer Wagen gekommen und hat gehalten. Der Mario steigt ein und wird nie wieder gesehen.

LINA: Ach, so war das. Aber schön war er, der Mario.

FRANZ: Womit wir wieder bei der Frage wären: Der Mario und der Kaffee?

JOSEF: Er hat seine eigene Sorte gehabt. Einmal hat er mich auf einen Kaffee in der Küche eingeladen. Hat den gekocht, wie wenn es um drei Sterne gehen würde. Danach hat er uns eine Tasse eingegossen. In seinen hat er einen Löffel Zucker gegeben. Und dann mit dem Streuer eine Prise Salz drüber gegeben. „Alter“ hat er gesagt, „Alter kannst Du nicht macken gute Kaffää ohne Salz.“

LINA: Achwas?

JOSEF: Dann hat er gemeint, dass es für ihn eine Hitliste gibt im Leben. „Nummer fünf: eine gute Fick! Nummer vier: Saufen und schnupfen mit die beste Freunde. Nummer drei: Geschäft läuft. Nummer zwei: VIP-Raum in der Arena, und Bayern gewinnt, und gleich Fick. Nummer eins: da mamma.“ Und der Kaffee: nie ohne Salz!

LINA: Jaja. Ach.

FRANZ: Was heißt da “Jaja. Ach“?

LINA: Ein schöner Mann, der Mario.

© BILDKUNST JOHANNES TAUBERT