SCHEE-WARS-SCHO

TANZ DER VIREN II, Folge 93

Oh happy day!

Wegen der Großen Krankheit wird die Wiesn abgesagt – das ist eigentlich eine schlechte Nachricht, weil das Oktoberfest unseren Vier eine Heimat ist. Dort kann man seine Sucht leben, ohne schräg angeschaut zu werden.

Mittags gibt es Hähnchenschenkel mit Kartoffelbrei. Jeremy schiebt das Essen angewidert weg; er erzählt von Massentierhaltung – und davon, wie in einer großen Fabrik die dicke Soße in großen Bottichen angerührt wird. Man weiß nie, was in so einer Industriesoße landet – tote Tiere, Schutzmasken, Hautschuppen von Arbeitern, verirrte Aerosole, das wird alles püriert, mit Aromen verkleppert, bekommt eine Geschmeidigkeit und eine Lebensmittelfarbe. „Nicht mit mir“, sagt Jeremy, mit schwerer Zunge.

Nachmittags lädt Lina zu Kuchen ein. Die Medis machen hungrig. Man tratscht über nicht Anwesende, hechelt alle Leut‘ von der Geschlossenen durch, man hat eine irre Gaudi.

Um vier entziehen sie dem Josef den Stoff. Er hat schon zuviel. Muss ja nicht sein, dass er beim Abendessen aus der Rolle fällt.

Gegen acht sind sie dicht. Man umarmt sich, jeder verschwindet auf dem Zimmer. Lina und Franz haben Einzel, Franz und Jeremy teilen sich einen Raum. Sie machen sich bettfertig, stellen Wasser auf die Nachtkastl, nehmen eine letzte Tablette und legen sich hin. Die Vorhänge haben sie zugezogen, es ist noch nicht dunkel draußen.

FRANZ: Für heut‘ langt’s. Schön war es.

JEREMY (verbessert ihn): Des heißt: Schee war’s.

FRANZ (versteht): Logisch!

JEREMY: Also: Wie heißt es?

FRANZ (ist ja nicht auf der Brennsuppn daher gekommen): Schee war’s.

JEREMY (zufrieden): Gänau!

FRANZ (legt nach): Schee war’s scho.

JEREMY (noch zufriedener): Schee war’s scho aa.

FRANZ: So schee war’s scho aa.

Pause.

JEREMY: Grad wunderbar!

FRANZ: Genau!

Lange Pause.

FRANZ: Du?!

JEREMY: ngg?

FRANZ: Was denkst denn Du grad?

JEREMY: Was man sich alles erlauben kann! Das denk ich.

FRANZ: Wie meinst des?

JEREMY: Die – da in Berlin, der Söder, der Laschet, die Grünen-Tante, der Lauterbach, die alle – kommen mir vor, wie wenn sie sich jeden Tag zuballern täten da. Amal sperren sie die Leute ein, dann lassen sie sie wieder laufen. Amal haben sie nix zum Impfen, dann gibt’s überall Freibier. Zuerst sind die Masken scheiße, dann darf keine mehr ohne Maske zum Scheißen. Sie sagen, dass wir bald als Gesellschaft im Arsch sind – dann streiten sie um Jobs, als ob es nichts Wichtigeres gäb‘. Sie erfinden Zahlen und Verbote, sie reden von Mutanten und neuen Wellen. Die Kinder kriegen Hausarrest. Wiesn ist nicht. Kino ist nicht. Urlaub ist nicht. Und die Menschen da draußen machen alles mit.

FRANZ: Was willst mir denn Du jetzt erzählen?

JEREMY: Na, da muss sich was ändern. Da muss man was machen. Das sind wir uns schuldig.

FRANZ: Heul doch. Es macht keiner was. Ist auch wurscht. Und wir sind hier in Haar – schon vergessen? Wir machen schon gleich gar nix.

JEREMY: Müssen wir aber. Wenn wir das nicht…

FRANZ: Jetzt haltst as Maul, bittschön.Ich bin müd‘! Ich will jetzt was träumen.

© BILDKUNST JOHANNES TAUBERT