SCHLACHT AM SEE

berlin, 20. januar 2015

Wildes Wetter zieht auf! Im Westen Berlins formieren die Kontrahenten ihre Truppen. Die Einen werden sich tierische Mühe geben, um endlich den Viechern den finalen Fußtritt zu verpassen. Und die Gegner werden alle zur Sau machen, die den Schlachtensee und die Krumme Lanke zur hundefreien Zone bereinigen wollen. Also, auf ins Gefecht!

 

“Hunde verstehen und ,sprechen’ alle Sprachen dieser Welt.”

Das hat der Schweizer Tierpsychologe und Autor Stefan Wittlin erkannt. Der Mann ist auch für andere Erkenntnisse über den gemeinen Haushund (canis lupus familiaris) gut. Zum Beispiel erklärt er: „Wenn ein großer Teil der Hundebesitzer doch nur mal endlich begreifen würde, dass sie keinen Trottel Gassi führen, sondern ein intelligentes Tier mit Verstand, das eine volle Blase hat – dann wäre schon viel gewonnen.“

Oder: “Der Hund lebt nicht einfach ziellos in den Tag hinein. Er denkt, handelt und schläft.”

Großes Wort, gelassen ausgesprochen.

Nehmen wir mal “Sputnik”: Stadthund, wohnhaft in Schöneberg, regelmäßig darf er morgens an den Schlachtensee – da kann er Enten gucken, anderen Kolleginnen und Kollegen am Hintern riechen, die Nase in die Pilze stecken, mit den Beinen bis zum Bauch im Wasser stehen. Da verlustiert er sich eine Stunde oder so; danach hüpft er ins Auto, graunzt einmal wohlig, ringelt sich auf dem Rücksitz ein und denkt an das, was er gerade so erlebt hat.

Damit ist nun Schluss. Und bei den Menschen bricht die Schlacht am See aus.

Die einen lesen befriedigt:

“Das Verbot wird ab dem 15. Mai 2015 in Kraft treten. Das Bezirksamt begründet dies mit §2 Hundegesetz, nach dem das Mitführen von Hunden an gekennzeichneten öffentlichen Badestellen nicht erlaubt sei. Da sowohl Schlachtensee als auch Krumme Lanke in ihrer Gesamtheit als Badegewässer ausgewiesen und keine einzelnen Badestellen ausgewiesen seien, sei daher in allen Bereichen mit Badenden zu rechnen. Man sei daher praktisch zum Hundeverbot gezwungen, da das Hundegesetz vorsieht, dass dort, wo sich Badende aufhalten, aus Sicherheitsgründen und hygienischen Bedenken nicht gleichzeitig Hunde mitgeführt werden dürften.”

Genau!

Da halten die HundehalterGassi-Geher gleich mal dagegen – mit Herzschmerz satt:

“Den Ausgang mit dem Hund  am Schlachtensee und der Krummen Lanke auch an der Leine zu verbieten entspricht de facto einem Verbot für den Hundehalter persönlich!

Denn welcher Hundehalter wird zu einem schönen Spaziergang aufbrechen und seinen Hund in der Wohnung zurücklassen?

Das ist für den Hundehalter gefühlt so, als würde man Eltern auffordern, ohne ihre Kinder am See spazieren zu gehen!”

“Sputnik” hat in dieser Angelegenheit keine Stimme. Es hilft kein Knurren, es hilft kein Murren, es nützt kein Bellen oder Beißen – der Hund muss weg!

Für den deftigen Ärger sorgen schon die Menschen. Dieser Tage hat einer ein bisschen Gift am Schlachtensee ausgelegt – mal sehen, ob man die Tierfreunde nicht noch weiter aus der Reserve locken kann.

Die militanten Hundehalter formieren sich derweil im Internet und bereiten sich auf finale Gefechte mit den Hundegegnern vor.

Das wird noch eine rüde Rauferei geben im schönen Westen Berlins. In den Forsten werden sie sich jaulend an die Gurgeln gehen, die Paragraphenreiter und die ziemlich besten Freunde des canis familiaris.

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“Sputnik”, Philosoph vom Schlachtensee: Ich denke, also bin ich. FOTOS: BARBARA VOLKMER

 

Er selbst, der gemeine Haushund, wird seine letzten Runden ums Wasser drehen, ein letztes Mal neben den Müll der Menschen kacken, mit den Kollegen freundliche Schnüffeleien austauschen – und sich nach dem See-Gang einringeln und träumen.

Und sich sein Teil denken.

Ja, wird er denken?

Das hat schon den Skeptiker Erich Kästner beschäftigt:

Der Hund sprach durch die Nase und fuhr fort:
Wir können sprechen. Doch wir tun es nicht.
Und wer, außer im Traum, mit Menschen spricht,
den fressen wir nach seinem ersten Wort.

Ich fragte ihn natürlich nach dem Grund.
(Ich glaubte nichts, was man mir nicht erklärt.)
Da sagte mir dann der geträumte Hund:

Das ist doch klar! Der Mensch ist es nicht wert,
das man gesellschaftlich mit Ihm verkehrt.
Er hob sein Bein, sprang flink durch krumme Gassen…
Und so was muß man sich sagen lassen!

Kästners Kollege Mark Twain hat sich sehr wohl was vom Kumpel auf vier Beinen beibringen lassen: “Mein Hund”, hat er gemeint, “ist ein echter Gentleman. Ich hoffe, ich komme später mal in den Hundehimmel.”

Hundehimmel: Für die Zoffer vom Schlachtensee ist das keine Option.