RAUS!

berliner tv-couch, 29. januar 2015

Ey Alter, ey Walter! Was jeht ‘n da ab? Der Freiwald is nich mehr. Rausjeschmissen hamse ihm ausm “Dschungelcamp”. Jetz kanner nich mehr pöbeln und wird ooch keen Könich. Wo er doch janz sicher jewesen is, dass er nachm Dschungel nochma total durchstartet. Aber jetz? Raus! Aus die Maus! Wech vom Fensta! Dit muss eena erstma verdaun.

Walter Freiwald (großes Foto), 60 und seit Tagen in seiner Heimat ein Star, rieb sich verdutzt die ausgeschlafenen Augen. Er hatte sich fein gemacht und trug die Miene des Unbesiegbaren, als die Moderatoren der Show “Ich bin ein Star – holt mich hier raus” verkündeten, wer in der Sendung fürderhin nichts mehr zu suchen habe.

Freiwald hatte – so dachte jedermann – nichts zu befürchten. Der Mann hatte in den vergangenen Tagen ganze Arbeit als Zoffer der Nation geleistet. Also saß er frisch rasiert am Lagerfeuer und sah das Unheil nicht mal kommen.

Doch dann hieß es:

“Gehen muss heute — der Walter.”

Ihm fiel die Flappe runter. “Is schon okay”, sagte irgendwann, “is nur ein Spiel.”

Fassungslosigkeit bei den Mitgefangenen. Schockstarre in der “Dschungelcamp”-Community. Und auch Stunden später die große Frage:

Was wird denn nun? Schafft es das “Dschungelcamp 2015” ohne Herrn Freiwald nun zum langweiligsten Quotenbringer, seit es deutsches Fernsehen gibt?

Ach, besehen wir doch den Vorgang lieber nüchtern. Walter Freiwald ist Ü60 – da gehört er halt mal zu denen, die im TV-Business zum Abschuss freigegeben sind.

Wenn einer wie der selbsternannte Alleskönner aus Wittmund raus gewählt wird, dann ist das kein großer Schaden.

Aber immer wieder fallen da Entscheidungen, die keiner versteht.

Dieser Tage zum Beispiel wurde Christine Westermann, 66, aus dem Job gelobt. Auch die “Welt” wunderte sich und fragte nach. “Man habe ihr schon vor zwei Jahren zu verstehen gegeben, dass sie zu alt für die Sendung sei, sagte Westermann der Zeitung. ,Es ist ein bisschen schade, dass für den Sender eher die Zahl der Jahre zählt und nicht, was für ein Mensch dahinter steht. Was er kann, wie er ist.‘ Sie habe deshalb mit Co-Moderator Götz Alsmann (57) entschieden, nach 20 Jahren aufzuhören.”

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Altenteil? Nein danke! Jutta Kammann musste gute Miene zum abgefeimten Personal-Spiel der TV-Entscheider machen. FOTOS/digitalis: BARBARA VOLKMER

 

Ein Unding, was da passiert. Jemand, der es nachweislich kann, wird bedenkenlos aufs Altenteil verschoben – und in der Regel kommt kein Besserer nach. Mit einem ängstlichen Seitenblick auf die Quoten und die Erreichbarkeit der werberelevanten Zuschauer im Alter zwischen 35 und 60 zwingen die Programm-Macher Menschen in die Seniorenheime, die nicht mehr ins Forever-Young-Schema passen.

So ist es auch jüngst der Schauspielerin Jutta Kammann ergangen. Sie war beliebt und schien nicht wegzudenken als Oberschwester Irene des Serien-Oldies “In aller Freundschaft”.

Doch dann beschlossen die Verantwortlichen: In der “Sachsenklinik” haben die Hauptdarsteller zu viele Falten. Das muss geglättet werden. Also erfanden sie das neue Format:

“In alter Freundschaft – die jungen Ärzte”.

Da musste dann Frau Kammann gehen. Sie ist immer noch verbittert, zog in eine Wohnanlage in München um, spielt ab und zu Theater wie eine Junge und hadert mit dem Jugendwahn in den TV-Anstalten. “Nach der letzten Klappe waren alle da, es gab fünf Minuten Applaus. Da liefen die Tränen.”

Manchmal trifft Frau Kammann im “Augustinum” auch den kreglen Rolf Schimpf. Der hat gerade seinen Neunzigsten gefeiert und er beobachtet mit wachen Augen das, was sich im Fernsehen tut. Er konnte sich sehr lange vor der Kamera halten, denn die Rolle, die er souverän ausfüllte, hieß “Der Alte”. Da darf einer schon mal aussehen wie Ü60.

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Junges Fernsehen? Quatsch! Schlechtes Fernsehen! “Der Alte” Rolf Schimpf sitzt oft mit Grauen vor dem Bildschirm.

 

Doch Schimpf weiß, dass er eine Ausnahme war: “Die wollen junges Fernsehen machen – aber dabei bleibt oft das gute Fernsehen auf der Strecke.”

Da kann Frau Westermann nur machtlos nicken. Oder sie bewirbt sich für den “Dschungel”. Dort werden Senioren gern als Narren im Urwald genommen. Solche wie die nette Maren Gilzer. Die war auch mal Kollegin von Frau Kammann. Die ist auch raus geschrieben worden. Und die muss nun den Job von Walter übernehmen.

Maren, durchhalten! Dann gibt’s die Krone. Nicht schlecht für eine Abgehalfterte.

 

Morgen: Das Ge-Schimpf geht weiter.