AIAIAI!

tv-wohnzimmer, 28. januar 2015

Die „BZ“ aus Berlin traut sich was: Sie versorgt ihre 120000 Leser seit gestern nicht mehr mit dem Neuesten aus dem „Dschungelcamp“. Begründung: „Die Sendung ist einfach nur sehr, sehr langweilig. Wo nichts passiert, muss auch nichts geschrieben werden, also stellen wir unsere Berichterstattung vorerst ein und hoffen auf ein großes Comeback im kommenden Jahr.“ Die Herrschaften von der BZ“ haben da was missverstanden: Das „Dschungelcamp“ mit seinen denkfaulen, bewegungsarmen und sprachlosen Schwätzern ist ein Highlight des deutschen Fernsehens. Es ist einfach: ohne Worte.

Ohne Worte – das ist auch das Motto der deutschen Sportkommentatoren. Sie haben im letzten Jahrzehnt eine schwere Disziplin perfektioniert. Wie in den Gerichts-Shows, wie beim “Frauentausch”, wie bei der “Shopping Queen” oder in “Rosins Restaurant”. Es wird geredet und geredet und gebrüllt und geheult – aber im Grunde genommen sagt keiner was.

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Sagen Sie jetzt lieber nichts: die Justiz-Dampfplauderer Ingo Lenßen und Alexander Hold. FOTO/digitalis: BARBARA VOLKMER

 

Das muss einer erstmal können. Wer das schafft, ist am Stammtisch und im Dschungel König.

Gestern Abend kommentierte Bernd Schmelzer fürs Bayerische Fernsehen live den Nachtslalom von Schladming. Schmelzer hat es fast mal zum Kult-Sprecher bei Bayern-Spielen geschafft. Dann wurde er den Programm-Machern unheimlich, und sie haben ihn massiv eingebremst. Nun darf er so richtig nur noch bei alpinen Skirennen die Sau raus lassen.

Seine Parole ist: Laut anfangen und lauter weiter machen.

Der Anfang bei ihm heißt immer: „Jetzt kommt als Siebzehnter des ersten Duchgangs der Schwede…“

Das schreit Schmelzer in die Nacht, und der Zuschauer fürchtet sich.

Wenn dann besagter Schwede eine Stange touchiert oder mit einer netten Zwischenzeit „unterwegs“ ist, dreht Schmelzer auf. Jetzt hört auch der Wohnungsnachbar: „Der Wahnsinn, der Wahnsinn, letzte Woche noch im Tief, aber jetzt: voll auf Angriff!“

Schmelzers Fertigkeit besteht im fast völligen Eliminieren des Verbs. Wenn er denn einmal ein Zeitwort benützt, handelt es sich um „haben“, „sein“ oder „machen“ – das ist seine Multifunktions-Sprache, getragen durch maximale Lautstärke.

Halt! Gestern formte der Mann des Bayerischen Rundfunks (gelernt hat er sein Mundwerk beim volltönend-wortfreien Kollegen Gerd Rubenbauer und bei den Ski-aber-nicht-Sprach-„Experten“ Markus Wasmeier und Christian Neureuther) einen kompletten bemerkenswerten Satz.

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Viele Wörter, leere Worte? Kein Problem für (von links nach rechts) Gerd Rubenbauer, Markus Wasmeier, Christian Neureuther und Waldemar Hartmann.

 

Am Start standen da noch vier Aktive, und Schmelzer raunte:

„Is ja ‘n Ding. Is ja ‘n gewaltiges Ding. Das wird ein unglaubliches Duell, das sich Drei da liefern. Wer wird’s? Ein Österreicher? Ein Deutscher? Oder gar ein Russ‘?“

Nach dieser historischen Sentenz fand Schmelzer wieder in seine rhetorische Heimat zurück. Sätze ohne Anfang und ohne Ausklang („…der ewige Zweite, lange Verletzung, neue Chance.“). Viele Ausrufezeichen („Echt der Wahnsinn!“). Noch mehr Fragezeichen („Was ist denn hier los?“) Heraus gekeuchte Alarm-Vokabeln („verlorene Hundertstel“, ein furchtbar „aggressiver Schnee“, „wilder Ritt“).

Und dann stieß sich der wunderbare Felix Neureuther ab. Momentan beherrscht kein Mann auf dem Globus das Slalom-Fahren so wie der charmante Garmischer, der (das ganz nebenbei) auch noch ein verdienter Meister des Worts sein kann.

Wenn der Felix fährt, gehen dem Bernd die Wörter gänzlich aus.

Und so hörten sich gestern Abend sich die letzten zehn Sekunden des zweiten Durchgangs von Felix N. im Deutschen Fernsehen folgendermaßen an:

„Ouu!“ (da musste der Felix von links nach rechts)

„Au!“ (da war der Felix verdammt nah mit dem Ski an einer rechten Stange)

„Auauau!“ (da musste der Felix eine linke Stange mit dem Handschuh weg boxen)

„Aiaiai! Aiaiai!“

Da hatte es der Felix geschafft. Als bislang Schnellster in der Gesamtwertung.

„Aiaiai! Er hat ’s geschafft. Und wie! Sensationell! Ja, was is‘ denn hier los?“

Noch weitere Fragen?

Lieber nicht.

 

Morgen: Aufs Altenteil – das geht im Fernsehen ganz flott.