“Kapuutt!”

berlin, letzter tag für „roncalli“, momentaufnahme 1 des jahres 2017   —–   „Wow!“, krächzt der Clown, als er ein Mikro sieht, das von der Decke hinunter in die Manege baumelt. Es ist ein silberfunkelnd Dingelchen, das ihn ganz wuschig macht. „Swarowsky“, krächzt der Clown.

„Wow!“ Fordernd blickt er ins Rund.

.„Wow!“, echoen die Menschen im Berliner Tempodrom. Housch ma Housch, ist zufrieden. Er schlappt zu dem Glitzer-Wunder und zieht wie an einem Glockenseil.

Krawusch! Aus dem Spot auf den Clown wird ein Gleißen, das die Arena in psychodelische Lila-Töne tunkt.

 

Männer: diese haarigen Biester

 

Housch ma Housch ist entgeistert. Er zupft noch einmal.

Zong! Alle Lichter erlöschen.

Nur wenige lachen. Ansonsten ist es sehr still.

„Kapuutt!“, krächzt der Clown.

Er will es richten. Zieht und ruckt am Strang. Nichts rührt sich.

„Kapuutt!“

Die Welt ein Jammertal. Housch ma Housch lässt die Schultern hängen – und glaubt mir, der Mann kann seine Schultern hängen lassen, dagegen ist die Krisen-Merkel ein Freudenspender.

Aber Housch ma Housch hat in seinem harten Leben gelernt, dass man nicht aufgibt. Als Semen Shuster am 5. Februar 1972 im ukrainischen Ismail zur Welt gekommen hat er ziemlich früh gewusst, dass er nichts an einer gewöhnlichen Schule zu suchen hatte. Auch nichts an einer der zwei Malschulen oder der Musikschule der Stadt. Er hat sich über die zwei Lenin-Denkmäler von Ismail lustig gemacht, soweit man das eben im Oblast Odessa durfte.

Dann hat er sich an der Kiewer Artistenschule beworben. Jonglieren hat er gelernt, voltigieren, er ist geschunden worden bis auf die Knochen.

1992 hatte der Drill ein Ende, Semen war fertiger Artist. Und merkte, dass ihn die Leute am meisten mochten, wenn bei ihm die Sachen in die schlabbrigen Hose gingen. Er hat sich selbst erfunden, er mutierte zu Housch ma Housch, wurde zu einem der besten und höchstdekorierten Clowns der Welt. Heute tingelt er tapsig und mit abstehendem Hörnchen-Haar um den Globus; er sieht ab und zu bei der Familie in Deutschland oder Frankreich nach dem Rechten – und wenn er nichts Besseres zu tun hat, unterstützt er die Nackerten und Halbnackerten im „Lido“. Die brauchen einen, über den die Besucher bedenkenlos lachen können.

Nun also Berlin.

Grau ist es draußen. In der Politik hacken sie schon wieder aufeinander ein. Bald soll großer Frost übers Land kommen. Und der große Frust des letzten Jahres steckt den Menschen noch arg in den Knochen.

Was soll’s?

Housch ma Housch zieht noch einmal am Bling-Bling-Mikro. Nichts. Kapuutt.

Da hat er eine Idee. Stolpert zum Manegenrand, findet ein Kabel mit Stecker, findet ein zweites.

„Aah!“, krächzt der Clown. „Aah!“

Jemand muss wohl die Verbindung getrennt haben. „Aah!“ Er zeigt auf einen Unschuldigen in der ersten Reihe. Der Rest der Menschen kringelt sich vor Schadenfreude.

Der Clown stöpselt die Kabel zusammen. Das Orchester rockt das Tempodrom.

Housch ma Housch trennt die Verbindung.

 

Aber, mal ehrlich: was für ein Kerl! Wow! FOTOS: BARBARA VOLKMER

 

Stille.

„Wow!“

„Kapuutt!“

Ja, Recht hat er. Alle im Tempodrom halten den Atem an. Wird er? Wird er nicht? Er wird doch wohl nicht…?

Nein! Langsam, ganz langsam, bringt Housch ma Housch die Welt wieder in Ordnung. Stecker zu Stecker, es wird Licht.

In Mitte ist Musike, die Menschen jubeln und vergessen und haben ein kurzes kostbares Glück. Draußen ist janz weit draußen.

Wow!