HAND GEBEN

TANZ DER VIREN II, Folge 96

„Das tut gut“, sagt Hatice, als sie mit Torsten aus der Unterführung ins Helle hoch marschiert. Sie wundert sich nicht einmal, dass sie sich zuerst untergehakt und dann, sehr rasch und wortlos, bei den Händen genommen haben. Jetzt wandern sie in den Englischen Garten, Hand in Hand, als seien sie ein erprobtes Paar.

Dabei kennen sie sich nur aus dem Computer.

Die andere Hand. Die Luft. Die Menschen, die leben. Ein eiskalter Bach. Eine Wiese, die sich für den Sommer schminkt.

Das Reden.

Uihh!

„Hätt‘ ich nicht gedacht, dass ich mal mit einem Polizisten date.“

„,Bulle‘ willste sagen.“

„Naja.“

„Ist komisch. Wenn ich Fernsehen kucke, und die sagen ,Bulle‘, dann ist das okay. Aber wenn ich die Uniform anhabe, soll das anders sein?“

„Weiß nicht.“

„Ist nix Anderes, ich bin ein ,Bulle‘, da bin ich stolz drauf.“

„Wolltest Du immer zur Polizei?“

„Nicht immer. Eigentlich, habe ich gedacht, ich werde Archäologe. Da war ich, warte mal, dreizehn.“

„Und?“

„Habe das Abi gerade mal so hin bekommen. Zuviel Bier, zuviel Fußball, zu wenig Erfolg bei den Mädchen.“

„Und?“

„Das Abi war da, Sport war mein Ding – da habe ich mich bei der Polizei beworben.“

„Weisste, ich habe meinen Papa lieb. Ich bin froh, dass wir wieder reden.“

„Hast Du Heimweh?“

„Heimweh? Nach was? Nach der Türkei? Nachm Allgäu? Nee, ich habe kein Heimweh.“

„Darf ich Dich was fragen: Wo biste denn zuhause?“

Hatice hält Torstens Hand fest, sie sind am Ostende des Kleinhesseloer Sees. Hatice ist froh, dass Torsten richtig gefragt hat.

© BILDKUNST JOHANNES TAUBERT