GELD HABEN

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sommer zwanzichfuffzehn XI

Der alte Arzt war ein Mann des Friedens. Er blickte auf seinen Freund und sagte: “Den Eugen mag hier keiner. Aber sie haben Angst vor ihm.”

Warum denn das? Hans Krohn sah auf den schlafenden Säufer. Der sah so armselig aus in seiner schwarzen Unterhose und dem verdreckten T-Shirt. Der hatte nur noch zwei Stummelzähne und einen Friedhof für Trekker und Mähdrescher. Der trauerte einem Elbing in Ostpreussen nach, wohin er zweimal im Leben als Tourist gefahren war. Er trauerte dem Haus seiner Eltern nach, das die Bomben im Zweiten Weltkrieg eingeäschert hatten. Eine Ehe hatte er begonnen und war wieder ausgestiegen.

Vor dem Mann sollte man Angst haben?

“Der kann sie alle kaufen. Das wissen sie. Wenn der im Ort im Netto auftaucht, hören die Leute auf zu lachen.”

“Warum sind Sie sein Freund?”

“Ich habe ihn mal untersucht, als er zur Armee sollte. Ich sage Dir, der hat mir so den Kranken vorgespielt, dass ich schon wieder Respekt hatte. Ich habe ihn untauglich geschrieben. Später sind wir uns in Neuruppin über den Weg gelaufen. Er ist ein Rebell. Und unheimlich klug. Sein Wissen hat er sich aus dem Fernsehen gesaugt. Der schaut die Tagesthemen an und kann Dir danach jede Meldung runter beten. Irgendwann hat er eingesehen, dass ihn der Vater nicht vom Hof lässt. Dann hat er beschlossen, dass er als Bauer heimlich reich wird. ,Mein Freund’, hat er gesagt, ,die sind doch alle blöd hier. Wenn ich ein Rind zum Schlachter bringe, dann kriege ich 4000 Mark. Und ein Brötchen kostet ein paar Pfennig. Verstehste, die Rechnung ist ganz einfach. Den Vater schicke ich zum Westgeld-Holen rüber. Und hier mache ich mit allem Geld, was man sich nur vorstellen kann.’ Der Eugen hat Tag und Nacht Geld gemacht – und keins ausgegeben.

Naja, und dann kam die Wende.”

Krohn verstand nicht.

Der alte Arzt machte die Geschichte kurz:

Eugen Matuschke hörte, dass es da eine Treuhand gab. Die verscherbelte Brandenburg. Da ist der Matuschke zur Treuhand gelatscht und hat gekauft. Wälder, Felder, ein Stück vom See, ein altes Sanatorium, die Stasi-Datschen.

Der alte Arzt zeigte mit großer Geste nach Westen. “Von hier bis fast nach Neuruppin und rauf bis Zippelsförde gehört dem Eugen ganz viel. Und Du brauchst nicht zu glauben, dass er nicht weiß, was ihm gehört.”

Und warum…?

“Warum er hier lebt wie ein Messi? In seinem eigenen Dreck, wie der schlimmste Penner?”

Ja, warum?

“Aus Zorn.”

Hans Krohn nickte. Er wollte gerade beschließen, Eugen Matuschke ein wenig zu mögen.

Da sagte der alte Arzt: “Ich gebe Dir einen guten Rat. Das Beste ist, Du verschwindest, solange er noch schläft. Wenn der Eugen aus seinem Rausch aufwacht, kann er furchtbar sein. Und Du willst nicht wissen, wie sich das anfühlt.”

Hans Krohn packte seine Sachen in den Rucksack. Blickte noch einmal auf den schlafenden Reichen und ging. Weg vom Zorn.