FREMD

D 2017*, Folge 2. 19. September, Rheinsberg, ruhiges Rheinsberg.

Wir lassen uns durch die Sandwüste nicht beirren, die, hügelig und dünenartig vor uns liegt.

Die Wege, die man passiert, sind im großen und ganzen so gut, wie Sandwege sein können. Nur an manchen Stellen, wo die Feldsteine wie eine Aussaat über den Weg gestreut liegen, schüttelt man bedenklich den Kopf. 

Erst auf dem letzten Drittel wird es besser; im Trabe nähern wir uns einem hinter reichem Laubholz versteckten, immer noch rätselhaften Etwas und fahren endlich, zwischen Parkanlagen links und einer Sägemühle rechts, in die Stadt Rheinsberg hinein. (Theodor Fontane)

Am Ortseingang ist der Lidl. Es ist ein schöner Lidl. Keine Ausländer, nur Menschen aus der Umgebung und ab und zu ein paar Camper oder Radtouristen.

Halt! Seit sie in den Gemeinden ringsum die Migranten aufnehmen müssen, besuchen neben den Türken, die schon seit Jahrzehnten hier leben, auch Menschen mit bronzefarbener Haut, manchmal gar Schwarze, richtige Neger, den Lidl.

Denen schauen die Einheimischen sehr kritisch in den Wagen. Man will wissen, wohin “die” unsere Steuergelder tragen.

Und wirklich: Vor zwei Wochen hat es sich zugetragen, dass einer von „denen“ zwei Flaschen Wein und eine Bottel Korn an die Kasse karrte.

Beim Bäcker nebenan trafen sich zwei ältere Herren und besprachen die Causa beim Kaffee. Ja, es sei echt einer von „denen“ gewesen. „Der kommt aus Lindow. Da traut er sich wohl nicht mehr zum Netto.“

„Und womit? Mit Recht. Was bilden sich die Kerle eigentlich ein? Wir nehmense auf, und die lassen sich voll laufen. Wie wollen die sich denn einbringen? Ich magse nicht mehr sehen.“

Der Andere verstand seinen Freund prächtig. Man war sich einig. Der Schnaps muss deutsch bleiben.

Prost.

 

 

Am Nachmittag fuhren sie auf dem See herum. Er ruderte, und sie saß am Steuer. Sie landeten auf einer kleinen Insel. Ein paar Bäume standen darauf. Sie lagerten sich ins Gras. Ein kühler Wind strich vom See herüber. Die Uferlinien waren unendlich fein geschwungen, die hellblaue Fläche glänzte matt.

„Wölfchen, du hast doch niemalen eine andere geliebt, vor mir?“

„Nie“

Es prickelte. (Kurt Tucholsky)

Vor der Metzgerei dem Schloss gegenüber sitzt ein Ehepaar bei Würstchen mit Kartoffelsalat und Bier. Mittagspause für die Fontane-Touristen.

Sie hat rotes krauses Haar, eine Sonnenbrille und einen zu kurzen Rock, der am Hintern spannt. Er hat Übergewicht und mag seine Frau nicht ansehen.

Aus der Metzgerei wehen Schwaden von Gesottenem an dem Paar vorbei. Vor der Haltestelle steht der Bus, der gleich nach Neuruppin fahren wird. Vorbei an der „Sandwüste“, durch eine Landschaft, in der nicht viel blüht.

„Ich hol‘ mir noch ein Bier“, sagt er.

„Das tust Du nicht. Du musst noch fahren.“

„Fahr‘ doch Du. Ich hol‘ mir noch ein Bier.“

Er geht ins Geschäft.

Sie sieht ihm nicht einmal hinterher.

 

*“D2017“ beginnt in der Kalenderwoche 38 des Jahres 2017 und endet am 31. Dezember. Thema: 105 Tage Deutschland. Unterwegs in der „Heimat“.