STILL, DER SEE

„D 2017“*, Folge 1 / 18. September, Mark Brandenburg, der Wind ist weg.

Tagelang ist der Sturm mit dem Land rüde umgesprungen. Von Westen kamen die dunklen Himmel in gewaltigen Formationen. „Sebastian“ heiße das Tief, sagten sie im Radio und berichteten von einer zerwühlten Nordsee und Sturmflut in Hamburg.

Das interessierte die Menschen am Gudelack kaum. Sie riegelten die Fensterläden ab und blieben in den Häusern. An den See will man nicht an solchen Tagen.

Das Wasser war braun, die Wellenkronen schäumten schmutzig-weiß. „Sebastian“ trieb den See ostwärts an die Ufer. Dort brach er. Im Sturm wollte er das Land nehmen, verlandete, sandte die nächste Welle.

Es war ein großes Kämpfen am See.

Dann fiel der Regen über den Gudelack her. Die Schwaden jagten schräg in die Wälder, über die abgeernteten Felder, gegen die Häuser. Der Regen war hart und feindlich, er schlug in die Beete und zerplatzte auf dem Marktplatz. Er riss Zapfen aus den Kiefern und fegte Laub vorzeitig von den Bäumen. Die Bäche führten zuviel schaumiges Wasser.

Es waren keine gastlichen Tage. Im Fernsehen sagten sie, dass das Münchner Oktoberfest besseres Wetter verdient hätte. Das war ja nun mal tröstlich für Brandenburg: Auch die Bayern erwischte es.

Am Sonntag beruhigte sich der Gudelack. Frühmorgens zuckte ein letztes Gewitter durch den Wald bei Klosterheide, dann war „Sebastian“ weg.

Nun liegt der See still und matt. „Sputnik“, der Hund, blickt in die Weite und scheint zu denken. Ein Kormoran schreit im Schilf, am gegenüberliegenden Ufer kreischt eine Säge.

Sonne. Wärmende freundliche Sonne.

Frieden?

„Ich bin die Mark durchzogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte. Jeder Fußbreit Erde belebte sich und gab Gestalten heraus, und wenn meine Schilderungen unbefriedigt lassen, so werd ich der Entschuldigung entbehren müssen, daß es eine Armut war, die ich aufzuputzen oder zu vergolden hatte. Umgekehrt, ein Reichtum ist mir entgegengetreten, dem gegenüber ich das bestimmte Gefühl habe, seiner niemals auch nur annähernd Herr werden zu können; denn das immerhin Umfangreiche, das ich in nachstehendem biete, ist auf im ganzen genommen wenig Meilen eingesammelt worden: am Ruppiner See hin und vor den Toren Berlins. Und sorglos hab ich es gesammelt, nicht wie einer, der mit der Sichel zur Ernte geht, sondern wie ein Spaziergänger, der einzelne Ähren aus dem reichen Felde zieht.“

So hat es Theodor Fontane vor 155 Jahren aufgeschrieben. Die Vokabel „Friede“ kommt in seinen „Wanderungen vor – genau wie ein Gedicht, das dem schönen Gefühl ein jähes Ende macht:

 

Der Krieg ist gut! / Er weckt die Kraft der Jugend. / Und zieht in seinem Schoß / So manchen Sinn für hohe, wahre Tugend. / Zu schönen Taten groß.

Der Krieg ist gut! / Er ruft aus feigem Schlummer / Den trägen Weichling auf, 7/ Er lohnt Verdienst, und schafft er manchen Kummer, / Löst er auch manchen auf!

Der Krieg ist gut! / Im Reiben seiner Kräfte / Ist für die Welt Gewinn. / Der Krieg macht froh, im Wechsel der Geschäfte / Nimmt er die Grillen hin.

 

Soweit zu „Krieg und Frieden am Gudelack.

Alles trügerisch, irgendwie.

*“D2017“ beginnt in der Kalenderwoche 38 des Jahres 2017 und endet am 31. Dezember. Thema: 105 Tage Deutschland. Unterwegs in der „Heimat“.