COOL BLEIBEN

lindow, 14. juni 2015
 
Gefällig wandert der Blick von den Kohlraben zur Spinatfront. Alles prächtig in Schuss, satt oder zart grün, sich rundend und himmelwärts strebend. Dieses Beet ist ein Genuss. Man kann es sich gar nicht mehr vorstellen, dieses Elend im Winter…
Erinnerungen an einen Nachmittag im Januar. Es hatte geschneit, ein leises Weiß deckte die grob umgehobenen Schollen. Mitten im Beet rundeten sich zwei Hügel – wieder einmal hatte die Schermaus zugeschlagen. Eine frierende Meise tippelte über den Schnee und fand nichts, kein Krümelchen. Der Wald stand starr, die Äste der Tannen waren steif vor Kälte, und wenn da irgendwo Tiere waren, taten sie vor lauter Frier-Frust keinen Mucks.
Der Wald war stumm.
Jetzt, wir schreiben den 15. Juni, in allen Himmelsrichtungen tiriliert und zwitschert es, die Hasen rascheln, ein Reh hat kurz in den Garten gelugt, am Törchen haben Wildschweine Spuren hinterlassen. Eine Monstrum-Ringelnatter quert lässig vom Teich zum Bach.
Und im Beet ist alles paletti. Die Kohlraben tragen irisches Grün, der Spinat wächst zum Zusehen schnell…
Vier Quadratmeter misst das Beet – das sind knapp vier Quadratmeter von 55 Millionen auf der Nordhalbkugel unseres Globus. Vier Quadratmeter, auf denen wir mit erleben, was mit der guten alten Erde in den nächsten Jahren passieren wird.
Wenn…
Und wenn nicht…
Im Winter fährt das Beet zunehmend Klima-Achterbahn. Mal ist der Boden wärmer, mal kälter als null Grad. Auf jeden Fall wird eine isolierende Schneedecke sich nicht mehr so regelmäßig über das gemachte Beet legen.
Obwohl es für die Landwirtschaft von großer Bedeutung ist, wurde bisher kaum untersucht, welche Bedeutung diese Wechselprozesse für Pflanzen haben. Eine Forschergruppe um den Wissenschaftler Dr. Jürgen Kreyling errichtete deshalb am Rande Bayreuths ein Versuchsfeld, um die Auswirkungen des neuen Klimas zu erforschen.
Bayreuth ist Brandenburg – naja nicht ganz, die Franken können besser Oper, die Brandenburger haben Fontane. Aber die Gärten müssen sich im Winter mit einem recht vergleichbaren Klima herum schlagen.
Professor Kreyling hat nun (weil Frau Merkel und die Kollegen auch in Elmau den Klimawandel nicht stoppen konnten, ist diese Arbeit nicht hoch genug zu wertschätzen) simuliert, was geschieht, wenn es der Scholle im Winter zu warm wird. Er ließ je einhundert Pflanzen weit verbreiteter Kräuter auf dreißig Flächen von vier Quadratmetern Größe pflanzen. Drunter legten die Wissenschaftler Bodenheizungen.
Alles ging seinen Gang in den 300 Versuchs-Beeten. Im einen hatten es die Erdkrumen behaglich bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt. In anderen wiederum erstarrten die Böden zu eisharten Wüsteneien. Im Untergrund werkte die Wühlmaus – und lief die Heizung, oder nicht.
Im Sommer drauf ernteten die Wissenschaftler zweimal. Sie trockneten die Kräuter und wogen sie.
Und?
Professor Kreyling und seine Mitarbeiter stellten fest, dass die manipulierten Flächen mit Bodenheizung zehn Prozent mehr oberirdische Biomasse produzierten als die unbeheizten Kontrollflächen. Die Kräuter wuchsen besser, obwohl sich die Wurzeldichte in den obersten fünf Zentimetern des Bodens verringerte.
Heureka! Endlich mal ein konstruktiver Ansatz aus dem CSU-Land. Machen wir’s in Brandenburg wie in der Allianz-Arena oder in Richard Wagners Garten. Im Herbst legen wir eine Heizung unters Beet.
Dieses Jahr müssen wir freilich noch mit einer Ernte aus konventionellem Anbau vorlieb nehmen.
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Kämpft um uns! FOTOS: BARBARA VOLKMER

Falls wir „sputnik“ und die anderen Feinde in den nächsten Wochen fern halten können. Jaja, wir wissen schon: Es werden Wochen der Entbehrung und des Kampfes. Doch wir werden fighten bis zum Umfallen für unser Beet.
Morgen: Kratzfuß „sputnik“