AUF GEHT’S!

Startschuss: 17. August 2019, 6.00 Uhr. Zielschluss: 18. August 2019, 12.00 Uhr. Dazwischen: 160 Kilometer zu Fuß rund um Berlin. Das Event heißt “Mauerweglauf”. In “Vettensjournal” das Protokoll. Es beginnt am 9. März 2019. Da sind’s noch 22 Wochen.

9. März, Dachauer Moos, Regen.

Es stürmt. Wolken jagen über München, der Fernsehturm rührt sich nicht. Ganz hinten im Grau der klobige Scherenschnitt der Zugspitze. Der Sturm bläst die Luft zum Atmen weg.

Es ist ein ungutes Laufen. Beim Gedanken an den “Mauerlauf” in 22 Wochen verweigert sich die Phantasie. Hans Krohn kann es sich nicht vorstellen. Muss sich langsam motivieren. Ist ja noch Zeit.

Nach dem Duschen sieht er im Fernsehen die 50-Kilometer-Läufer am Holmenkollen. Der deutsche Trainer bellt seinem besten Athleten – der muss noch eine Viertelstunde durchhalten – zu: “Auf geht’s, Thommy, da geht was!”

Das klingt martialisch. Hört sich an wie eine gut gemeinte Lüge. Ist die Anfeuerung durch einen Mann, der weiß, wie es ist, wenn es weh tut.

Den Tonfall hört Krohn gerne. Den prägt er sich ein.

Er hat ein Buch abgeschlossen – zur Belohnung gibt es eine kleine Auszeit. Fünf Tage in den Bergen, eine Alpenüberquerung über gangbare Pässe. Krohn freut sich sehr.

Am Tag vor der Abreise hört das Pinkeln auf. Noch ein paar Tröpfchen, dann kommt nichts mehr. Ergebnislose Nacht auf der Toilette, morgens muss der Notarzt kommen.

Ein ernster Urologe legt den Katheter und lässt eineinhalb Liter Urin ab.

Uff!

„Kommen Sie nächsten Montag  wieder“, sagt er. „Dann machen wir das wieder raus. Ich verschreibe Ihnen was gegen die Entzündung.“

Ein Wochenende auf der Couch. Heißes Fieber.

Am Montag kommt der Katheter raus.

Einen Tag später ist wieder alles verstopft. Schmerzen zum Zornig-Werden. Beim Urologen legt eine unbeeindruckte junge Frau die Drainage.

Mehr als zwei Liter.

Arghh!

„Der bleibt erst einmal“, sagt der Arzt. „Hier das Rezept für ein Antibiotikum Wahrscheinlich müssen wir operieren.“

Im Labor nehmen sie Blut ab. „Und Eahnan Urin braachat i aa no“, sagt die nette Fachkraft mit dem Becher. „Nichts leichter als das“, meint Krohn fröhlich und verschwindet in der Herren-Abteilung.

Ein Pissoir. Ein Wand-WC mit Haltegriffen zum Setzen und Hochkommen. Waschbecken. Im Spiegel sein Gesicht. Unrasiert. Rote Schmerz-Augen. Scheiß-Anblick.

Hose runter. Schlauch über den Becher. Verschluss vom Schlauch ziehen. Es läuft, Krohn braucht nichts zu tun. Fertig. Zustöpseln. Schlauch in der Unterhose verstauen. Hose hoch.

So schnell hat er beim Arzt noch nie gepisst. Ging ganz leicht.

Toll.