ANGEKOMMEN

Startschuss: 17. August 2019, 6.00 Uhr. Zielschluss: 18. August 2019, 12.00 Uhr. Dazwischen: 160 Kilometer zu Fuß rund um Berlin. Das Event heißt “Mauerweglauf”. In “Vettensjournal” das Protokoll der Vorbereitung. Es beginnt am 9. März 2019 und endet am 17. August: 22 WOCHEN.

Sie kommen nach Hause. Biegen vom asphaltierten Sträßchen auf den geschotterten Feldweg ab – er hat sich vorgenommen, die schlimmsten Schlaglöcher in diesem Frühjahr zu verfüllen, das muss jetzt erst einmal warten -, nach dreihundert Metern stellt Sabrina den Wagen vor dem Haus ab.

Als er die Bude mietete, lebte Sabrina noch in Italien. Ein Freund aus Berlin – er betreibt dort drei todschicke Puffs – hat Krohn besucht und sich an die Stirn getippt.

„Wat willste mit dem Kastn? Da kannst jleich im Zelt wohnen. Ick wunder mir, dat sowat überhaupt erlaubt is in Deutschland. Da is ja in Knast jemütlicha.“

Pit hat sich in München im „Bayerischen Hof“ einquartiert und jedesmal, wenn er zu Besuch kam, vom Untergang der westlichen Welt geredet. Das Wasser kommt gerade mal lauwarm aus der Wand. Die Küche, neenee, seine Omma hat es da komfortabler gehabt. Heizung mit Kachelofen und im Schlafzimmer gar nicht, ja, wo sinwer denn? Ob der Hans sicher sei, dass es bei diesem Dach aus dem 19.en Jahrhundert nicht rein regne? Wie lange wohl das Elektrische noch funktioniere? Wat is mit Internet und Handynetz? Wie, da muss man in die nächste kleine Stadt? Ja, geht’s noch?

Und wo überhaupt die Weiber seien?

Watt?!

Keene Weiba?!

Da könne sich der Hans gleich die Kugel geben.

Also mal ehrlich, hatte der Pit gesagt: „Jetzt haste jenuch jesponnen. Jetzt kommste zurück nach Berlin. Ick hab‘ ne Wohnung für Dich, piekfein, fließend Warmwasser und Whirlpool im Haus, Weiba übern Flur. Du machst mir ‘n bissken den Papierkram und die Werbung, dann brauchste keene Miete zahlen. Und wir ham Spaß ohne Ende. Komm, schlag ein.“

Krohn ist in Bayern geblieben. Einmal las er in der Zeitung, dass Einsamkeit eine gefährliche Krankheit der Moderne sei. Er nickte und unterhielt sich mit sich selbst übers Allein-Sein.

So weit war er.

Eines Tages stand Sabrina vor der Tür.  

„Du?“, sagte er.

„Ja. Ich.“

Nun fahren sie vors Haus, mit ihren Einkäufen wie ein altes Ehepaar. Tragen Tüten in die Küche. Geben sich ein Küsschen wie ein verliebtes altes Paar. Sie räumt den Kühlschrank ein, er will ihr helfen. Nein, sagt Sabrina, er solle sich schonen. Er setzt sich wieder, weil ihm das ganz recht ist, der Katheter zwackt. Sabrina bückt sich zum Gemüsefach, sie hat einen schönen Hintern, er denkt kurz an Sex.

Sie steht auf und streckt sich.

Und da sind die Gedanken an Sex wie ausradiert. Sabrina hat Krebs. In einer Woche wird sie operiert. Was dann? Keiner weiß es.

Sie hantiert in der Küche, er hat ein großes Gefühl für sie – und er könnte kotzen vor Angst.