ABGEWICKELT

wien, 12. märz 2015

Kurz und klar: “Liebe Kunden! Wir möchten Ihnen für Ihre langjährige Treue DANKEN. Leider müssen wir mit 31. Jänner 2015 schließen. Ihre Trafik Reichenauer”. Noch kürzer die Antwort via Telefon: “Piep! Kein Anschluss unter dieser Nummer.” Aus. Schluss. Weg. Kurz und knapp. Am Franz-Josefs-Kai Nummer 5 gibt es keine Trafik mehr.

Oder, wie es die Wirtschaftskammern Österreichs formulieren: “Die Gewerbeberechtigung für diesen Standort ist nicht mehr aktiv”.

Dabei war das mal eine bombastische Adresse für eine Trafik. Hier gaben sich die Raucher und die Lotto-Gewinnritter, die Schnapsler und die Spät-Hungrigen die Klinke in die Hand. 1997 hat der Rizek Walter hier sein Ladl aufgemacht, vom ersten Tag an haben die Geschäfte gebrummt. Die Reichenauers haben 2007 übernommen – da war der Rizek müde und wollte sich nicht mehr die Füße platt stehen. Und die Reichenauers haben nicht geahnt, dass im Land alsbald ein Trafiksterben wüten würde.

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Still ruht der Handel.

 

Der Franz-Josefs-Kai liegt am nicht ganz so noblen Teil des Rings. Hier sind keine Theater und keine Literatencafés, hier gibt es keine Ministerien und keine Prachtbauten. Aber Menschen, die was zum Rauchen brauchen und denen der Sinn nach einem Bier oder einem kleinen Klaren steht – die gibt es hier en masse.

Dachten die Reichenauers – aber sie hatten sich sauber gebrannt.

Es half auch nicht, dass die Kundschaft treu und dankbar war. Einer, ein doppelter Magister, hat im Internet über die Reichenauer-Dienstleistungen geschrieben: “Tolle Trafik. Großartiges Sortiment an Zigarren und Pfeifen. Auch Zubehör findet man hier. Sehr sehr freundliche Verkäufer und kompetente Beratung!”

Schön. Nett. Aber die Geschäfte sind nicht besser geworden. Am Ende des Monats ist zum Schluss immer ein Minus gestanden.

Wo die Kunden geblieben sind? Die Trafikbetreiber zucken müde mit den Schultern. Es macht eh keinen Sinn mehr, darüber nachzusinnen. Sie kennen doch die Zahlen: Noch gut 700 Trafiken gibt es derzeit in Wien, und an die hundert werden in den nächsten fünf Jahren dicht machen.

Die Reichenauer kennen auch die platten Parolen der Herrschaften aus der Politik.

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Bonjour Tristesse! Wiener Ring-Idylle.

 

“Die Menschen kaufen gleich beim Großeinkauf im Einkaufszentrum ihre Zigaretten”, sagt die Wirtschafts-Expertin Geschäftsführerin Tina Reisenbichler, “und gehen nicht zum Nahversorger.” Ausserdem dürfen seit 2007 statt 200 Zigaretten 800 Stück aus EU-Ländern eingeführt werden. Und dann ist da noch die Sache mit den Briefmarken. 2001 senkte die Post die Provision für Briefmarken von sieben auf drei Prozent. Der Euro kam, das war das Ende der Stempelmarke.

Es gab die Versuche, Kunden mit zusätzlichen Angeboten in die Trafik zu locken: das Nebengeschäft mit Billets, Parkscheinen und Autobahnvignetten, den Verkauf von Büchern…

Alles ohne Erfolg. Die Trafiken krepieren weiter.

Trafikanten mit schlechten Umsätzen werden mittlerweile ermutigt, ihr Geschäft zu schließen. Liegt der Umsatz unter 500.000 Euro brutto pro Jahr, können die Inhaber eine Prämie beantragen, wenn sie zusperren. Bis zu 40.000 Euro Prämie kann ein Trafikant aus einem Fonds der Tabakindustrie bekommen. Der Gedanke dahinter: Gibt es weniger Trafiken, sind die übrig gebliebenen wirtschaftlich lebensfähig. “In ganz Österreich müssen wir um etwa 150 bis 200 Trafiken reduzieren”, sagt Tina Reisenbichler.

“Die für die FPÖ unmoralischen Schließungsprämien kommen einer Sterbeprämie gleich, die viele Trafikanten vor allem mit Behinderungen in eine unsichere Zukunft oder auf Sicht sogar in die Armut treiben wird”, warnen der Wiener FPÖ-Planungssprecher Toni Mahdalik und FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky.

Es sieht duster aus, zappenduster.

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Schluss mit gemütlich. Stillgelegte Trafik im Spiegel der Moderne.

 

Übrigens: Die Ringstraße, an der die Reichenauers ihr Glück suchten, wird in diesem Jahr 250 Jahre alt. Das wird man riesig feiern und sich erinnern: Wie toll und zukunftsweisend es war, als die Prachtstraßen am 1. Mai 1865 von Kaiser Franz Joseph I. in Anwesenheit von Kaiserin Elisabeth, zahlreichen Erzherzögen, Ministern und Vertretern der Stadt Wien mit Bürgermeister Andreas Zelinka an der Spitze feierlich eröffnet wurden. Der Festakt stieg vor dem Äußeren Burgtor; bei der anschließenden Fahrt der Ehrengäste zur Hoftafel im Wiener Prater stauten sich mehr als 100 Equipagen.

20 Jahre später etablierte sich der erste Trafikant am Ring. 1784 rief Kaiser Joseph II. das Tabakmonopol ins Leben. Anbau, Herstellung und Import von Tabak sollten dem Staat vorbehalten bleiben – und der Verkauf sollte durch Kriegsversehrte und Soldatenwitwen erfolgen. Sie eröffneten die ersten Trafiken. Noch bis heute erfolgt die Vergabe durch die Monopolverwaltung – vornehmlich an Menschen mit Behinderung.

Eine schöne Institution.

Theoretisch schon. Sagen die Reichenauers…