NEUE ZEITEN?

tv-deutschland, 31. januar 2015
Ächz! Heute Abend ist Showdown im Dschungel. Gegen Mitternacht (MEZ) steht fest, wer sich “König” nennen und damit hausieren gehen darf. Zwei Damen (eine Blonde mit Brille und eine Dunkelhaarige mit prächtigen Brüsten) und ein Herr (jung, unscheinbar, wahrscheinlich recht nett) balgen sich unter Lianen. Danach müssen sich die Fernsehkonsumenten nach neuer Faulkost umsehen. Und ernsthafte Menschen werden sich auch ab und an mal die Frage stellen: War früher alles viel besser?
War es wohl nicht. Vor exakt 50 Jahren hatte ein Bergfex aus Südtirol fest eingeplante Sendezeiten. Es waren Highlights des Fernsehens (das sind sie noch heute), als der Trenker Luis in seinem Janker oder in seinem Norweger-Pullover von den Bergen und den Madln und den Burschen und überhaupt der schönen weiten Welt ohne Punkt und Komma fabulierte.
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Griass Eich, alle mitanand! Der Trenker Luis als TV-Star, das ist ein Everbrown. FOTO/digitalis: BARBARA VOLKMER

Fasziniert saßen die Fernseh-Novizen vor der Glotze und lauschten. Es war herrlich, es dufte so tausendundeine Nächte weiter gehen.
Klammer auf:
Dass dieser Trenker seine Joppe tief nazibraun eingefärbt hatte, zählte damals und in den folgenden Jahrzehnten nicht. Erst 2015 soll nun ein Film mit Tobias Moretti im Fernsehen diese dunkle Seite des Gröbaz (Größter Bergführer aller Zeiten) ausleuchten. Ein Glücksfall im TV
Klammer zu.
“Fernsehen in den 60ern war noch recht beschaulich und nicht so actionlastig und hyperaktiv wie heute.” So steht es auf www.das-waren-noch-zeiten.de. Und weiter:
“Die meiste Zeit des Tages änderte sich am Fernsehbild nichts, es blieb dunkel, da ausgeschaltet. Schaltete man den Fernseher kurz vor Programmbeginn ein, sah man auf dem Bildschirm eine bildfüllende Uhr (natürlich analog) und man konnte dem Sekundenzeiger auf seinen Runden folgen. Die einzelnen Sendungen wurden durch eine Fernsehansagerin vorgestellt, damit der Zuschauer wusste, was ihn in der kommenden Sendung erwartete.
Im Programm selbst überwogen eher ruhige Sendungen. Dokumentarfilme, Nachrichtensendungen, Theateraufführungen, Operetten, Komödien und Sportübertragungen bildeten die Schwerpunkte. Es wurde noch erzählt (Luis Trenker, in fröhlicher, munterer Weise oft auch wild gestikulierend über Abenteuer in den Bergen und seine Filme) oder vorgelesen (Margot Trooger, z.B. aus Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren). Nachmittags gab es Sendungen für Kinder und in den Regionalprogrammen zwischen 18:00 und 20:00 Uhr die eine oder andere 25minütige TV-Serie.”
Das war ja wohl auch nicht so prickelnd. Heute wird nicht mehr parliert und die Realität durch Schön-Filmerei poliert, sondern vermehrt gepöbelt, gebrüllt, geprotzt und geprollt.
Seriöse Protagonisten können da manchmal schon den Glauben verlieren. Doch nicht so ausgeprägte Ego-Frauen wie Iris Berben. Als Schauspielerin hat sie sich seit Generationen unter den Top Ten gehalten. Heute ist sie eine der Wenigen, denen die Klasse-Rollen nachgeschmissen werden.
Frau Berben hat ihren Sohn Oliver ordentlich erziehen wollen – doch ihn drängte es zum Film. Und da hatte sie die Bescherung:
“Ich wollte ihn einfach in die Verantwortung zwingen. Ich habe versucht, ihm zu erklären, dass das, was er bei mir sah, ein langer Weg war. Dass es die letzten 35 Jahre nicht nur Erfolg gab, dass man viel Durchhaltevermögen haben muss und vor allem dass es darauf ankommt, wie man diesen Beruf definiert – ob als gesellschaftliches Dabeisein nach dem Motto ,Ich bin beim Film’ oder als Leidenschaft. Als ich, nachdem ich vier Stunden lang das Negative aufgezählt hatte, dann einmal Atem holen musste, hat er gefragt: Dann erklär’ mir doch mal, warum du immer noch dabei bist. 1:0 für ihn. Er ist eben noch analytischer als ich. Und dann habe ich ihm erzählt, was dieser Beruf auch ist.
Bei unserem ersten gemeinsamen Projekt arbeitete er als Regieassistent. Da kam schon irgendwie das Muttertier in mir durch – da musste ich mich mehr zusammenreißen. Diese Rolle fiel mir schwer. Man ist sich plötzlich so nah, in einer Arbeit, was ja bedeutet, dass er meine Unsicherheiten und Verunsicherungen sieht. Und natürlich will man als Mutter immer das Kraftvolle sein, das ihn beschützt – egal wie alt der Sohn ist. Aber letztlich habe ich dadurch auch gelernt, wie wichtig es ist, ihn an den eigenen Ängsten und Misserfolgen teilnehmen zu lassen. Mittlerweile arbeiten wir längst auf Augenhöhe.”
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Gestatten, TV-Familienunternehmen: Iris und Oliver Berben.

Nun ist also Oliver schon seit einiger Zeit nicht mehr “der Sohn von der Berben”, sondern der Produzent, der im Zweifel die ganz große Kohle locker machen kann. Und einer, der auch eine dezidierte Meinung zur Übermüllung des Fernsehens hat:
“Ich gebe zu, dass der große Anspruch oftmals fehlt. Natürlich haben wir zu viel Mittelmaß. Aber da empfehle ich jedem, mal in den USA den Fernseher einzuschalten: Man schaltet schneller als gedacht entnervt und verzweifelt ab.
Ich finde es ärgerlich, dass es auf dem Rücken der Kreativität im Fernsehen ausgetragen wird. Erreicht eine Produktion ein Millionenpublikum, wird kritisiert, es gehe ja nur noch nach Quote. Holt eine Produktion aber ein überschaubares Publikum in der Nische, heißt es wiederum: Gebührenverschwendung.
Wir sind gerade dabei, das zu ändern. Bisher war das ein finanzielles, aber auch ein planungstechnisches Problem, weil sie niemanden finden konnten, der bereit war, auf der einen Seite viel Geld zu investieren und andererseits klare Sendeplätze dafür zu haben. Die Zeiten ändern sich hier allerdings.”
Man hört es geradezu: Wie Herr Berben bei diesen Worten dreimal auf Holz klopft.