KNUT, MY LOVE

berlin, 13. januar 2017       winter 16/17, Folge VIII

Zuerst stirbt Thomas Dörflein, der Tierpfleger vom Zoo. Dann folgt ihm „Knut“ in die Ewigen Jagdgründe, wenn wir das mal so ausdrücken dürfen.

„Knut“, quert am 19. März 2011 das Bärengehege. Die Besucher sind begeistert darüber, wie sich das kleine Baby raus gewachsen hat. Nun ist „Knut“ ein großer weißer Rüpel, der immer noch ein bisschen schüchtern ist und es mit den Mädels nicht drauf hat.

„Knut“ also tapert so vor sich hin – da beginnt er zu taumeln, dreht sich um die eigene Achse. Er fällt, ohne einen Laut von sich zu geben, in den Graben und ertrinkt.

„Knut“ ist tot. Die Stadt trauert. Sogar der Bürgermeister kondoliert.

Und es gibt Menschen, denen bricht’s das Herz.

Karin aus Britz ist eine. Sie telefoniert mit Hilde aus Charlottenburg, beide weinen.

„Ick hab ihn  jeliebt, irjendwie“, flennt eine. Die Freundin antwortet: „Kannste laut sagen.“

 

 

Wie Karin, ist auch Hilde jetzt wieder janz alleene.

Hilde ist eine Göre. Immer gewesen. Wird sie auch noch sein, wenn sie stirbt.

Und das mit dem Knut – das bringt sie dem Sterben näher, sie ahnt das.

  

 

Hilde:

Das Radfahren verlernt man bekanntlich nicht. Die kesse Lache auch nicht. Die bleibt den Frauen, bis sie in die Grube fahren.

Hildchen plinkert die Herren mit diesem Frau-fängt-Mann-Blick an. So ein Zwinkern, bei dem beide ans Vögeln denken.

Hildchen hat ‘nen Busen. Klar, sie ist jetzt über 60, die besten Zeiten des Busens liegen eine Zeit zurück – aber sie zeigt jedem: Das war mal ’n Busen gewesen, so ein Busen aber auch, wow!

Damals hat sie mit den Jungs auf Teufelkommraus geflirtet. Und sie kann es immer noch. „Sagen’Se Hildchen zu mir, lass uns Du sagen, ich kenn’s nich anders.“ Sie gabelt das vorletzte Stück Schwarzwälder Kirschtorte auf. Spült mit Kaffee nach, guckt über den Adenauerplatz und plinkert.

Ihren Busen hat sie geschickt in einer Korsage verpackt, deren Spitzen über den Blusenrand lugen. Alles klar: Damals – als sie „jung“ war – hat sie sich die Jungs nicht von der Brust halten können.

Damals.

Sie war eine feste feine forsche Frau. Eine mit Brustwarzen, die sich hoch stellten, wenn der richtige Mann zugange war.

Geboren in den Fünfzigern. Pillepallepisseplisée-Mädchen. Kurze Röcklein . Sie hätte eine werden können. Wenn ihr der Richtige über den Weg gelaufen wäre.

Ist nie eine Glücksmarie geworden. Weil die Richtigen anderswo längslang liefen.

Pech. Zu blöd auch!

Jetzt ist sie abgelaufen. Ausgemustert. Jetzt ist sie alt. Das mit den Männern hat sie durch – von den Kerlen will sie nichts mehr wissen. Sie hat ihre Katzen. Das genügt.

Und sie hat Knut gehabt.

Nächstens: Das Hildchen aus Berlin