JÄGER UND SAMMLER

berlin, 24. märz 2015

Isses wahr? Schon 499-mal haben die Kerls vom “Trödeltrupp” in deutschen Heimen aufgeräumt, und die RTL-2-Kunden haben ihnen dabei zugesehen? Ja, das stimmt! An diesem Abend steigt um viertel nach acht die Jubiläumssendung. “Trödeltrupp”, zum Fünfhundertsten. Protokoll des ganz normalen Entsorge-Wahnsinns an einem Dienstagabend. Der Dreh war in Niedermoschel/Rheinland-Pfalz:

Sonore Stimme aus dem Off:

“So sieht das absolute Chaos aus. Das ist kein Garten, das ist eine Müllkippe. Doch Andreas kann nicht los lassen. 

Mauro, Otto und Sükrü sind:

DER TRÖDEL TRUPP.”

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120 Minuten Beinahe-Tragödie. Im Anschluss Pfusch am Bau. Einen schönen Abend wünscht RTL II.

Die Stimme wird stumm. Musik, ein bisschen Wagner, ein bisschen “Rocky”.

Ein überforderter Bruder: “Die Sammelwut von Andreas ist schon extrem. Wenn sich das nicht ändert, ziehe ich aus.”

Den Andreas ficht das nicht an. “Mein Vadder war en Jächer un Sammler – und ich han det geerbt. Mei Werkzeuch und mei Autos will isch behalte.”

Der Trupp sieht sich die Bescherung an. Garagen, voll mit Schrott und alten Autos. Zimmer, unzugänglich wegen der Kartons. Flure, die Hindernis-Parcours sind. Ein Keller wie ein Dschungel. Vorgärten, in denen nichts wächst – außer Müll. Noch ein Auto, noch ein Gebirge von Kartons. Noch und noch und noch. Geld weg, Schulden ohne Ende. Bruder verzweifelt, Schwägerin stinkesauer. Der Andreas sieht nicht ein, dass es schlimm steht.

“Mei Ersatzteil’ und mei Eise – des is tabu.”

Arggh!

Die Story ist perfekt.

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Eine Wanne, zum Ersten, zum Zweiten, zum… Wie bitte, nur Schrott? Kann nicht sein!

 

Stimme aus dem Off:

“Mama verloren, Papa verloren, Freundin verloren. Kann es sein, dass er Verlustängste hat?”

Otto hat sich auch nach 300 Jahren die Neugier auf Schicksale bewahrt. Nach dem ersten Entsetzen – das spielt er nicht – wiegt er einen Ersatzscheinwerfer in den Händen. Erst sieht er ganz tief in die kranke Seele des armen Andreas, dann hält er ihm den Scheinwerfer vor die Nase: “Ich sag Dir ganz ehrlich, das sind No-Name-Produkte – das kannst Du alles so auf den Müll schmeißen.”

Sein Kumpel Mauro ist ebenso geplättet: “Was für ein Riesen-Chaos. Wir haben genug gesehen. Wir hoffen nur, dass er zur Vernunft kommt.”

Tschüss, bis morgen.

Die Klein-Truppe kommt in Fahrt. Die Helden treten auf wie drei Musketiere. Sie retten alles. Witwen und Waisen. Alte und Kranke. Verstockte und Verzweifelte. Sie lassen sich nicht beirren im Retten.

Wichtig ist für die Dramaturgie einer guten Folge, dass der zu Rettende sich sträubt. Brav gibt Andreas den Widerborstigen: “Es wird hier nix leer geräumt.”

Genüssliche Stimme aus dem Off:

“ANDREAS LEIDET. ER STELLT SICH QUER.”

Spätestens jetzt gibt es zum ersten Mal Tränen. Denn das Weinen gehört zur guten Show. Die “Trödeltruppler” sind die Meister der Katharsis. Sie leben Heiterkeit und Toleranz vor. Und sie lassen den Sammlern und Jägern keine Chance. “Wir kümmern uns”, erklären sie lächelnd und brechen die Widerstände der im Leben Gestrandeten.

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Ein Mann packt an. Otto, einer der Helden, die beim Retten nicht trödeln.

 

“Isch möscht auch emol wieder jemanden einladen”, sagt Andreas.

“Fühlst Du Dich einsam?”, fragt Sükrü.

“Ja, manchmal möcht’ ich schon emol im Garte grille.”

“Biste traurig?”

Andreas weint. Aber er fängt sich und wehrt sich weiter.

Stimme aus dem Off:

“ER WILL ODER KANN SICH NICHT ENTSCHEIDEN.”

“Puuh”, sagt Otto, “ist nicht so einfach.” Die Musik klingt nach Katastrophenfilm. “Ist echt schwer. Wir haben bisher noch nicht ein Teil verkauft, wir sind immer noch am Räumen.”

Erfahrene “Trödeltrupp”-Fans haben spätestens jetzt Schweiß unter den Achseln. Werden die Musketiere diesmal etwa scheitern?

Da kommt der Andreas ins Bild. “Ich hab’ mir des überlegt, wir verkaufen.”

Toll!

Und doch, Stimme aus dem Off:

“MAN KANN SPÜREN, WIE SCHWER ES IHM FÄLLT.”

Egal, nun beginnt die nächste Phase.

Das Verkaufen.

Preisvorstellung. Schmerzgrenze. Interessenten sind schon da. Es wird ernst. Otto, Sükrü und Mauro in ihrem Element. Immer neue “allerletzte” Preise. Spannend wie ein todbringendes Duell.

Die “Trödeltruppler” überleben immer. Lächelnd demonstrieren sie uns, wie man sich auch aus der größten Scheiße wühlt. In Folge 500 verkaufen sie Werkzeuge und fahruntüchtige Autos, sie haben es mit “Hammer-Angeboten” zu tun, verlieren nicht die Nerven und tun bessere Jobs als ein Rudel Psychotherapeuten. Der “Trödeltrupp” gibt uns das Vertrauen ans Leben zurück, wenn es das Leben mal nicht so gut meint. Die “Trödeltruppler” sind die Hoffnungsträger der modernen Wegwerfgesellschaft.

Für Folge 500 haben sich die Macher besondere Mühe gegeben. Der “Fall Andreas” ist hübsch vertrackt. Der Sammler und Jäger zeigt sich so hartleibig, dass dem armen Otto ein Magengeschwür erwächst. “Hammer-Angebote” schlägt Andreas aus, beratungsresistent bleibt er – der Showdown in Niedermoschel ist abendfüllend.

Nun noch der Flohmarkt. Es gibt immer einen Flohmarkt – jedes Mal der Höhepunkt der Sendung. Diesmal, zum Jubiläum, wird die Spannung auf den Siedepunkt hoch gejazzt. Stimme aus dem Off, leicht genervt:

“SCHON WIEDER DIE ÜBLICHEN AUSREDEN. KEIN WUNDER, DASS ALLE ROT SEHEN. SOGAR MAURO IST HIER RATLOS. ES IST ZUM VERZWEIFELN.”

“Jetzt muss jeder Gas geben”, sagt Mauro, “wir müssen zeigen, was wir können.”

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Er macht gerne Dampf, sagt Mauro. Dampfplauderer kann er nicht ausstehen.

Können Sie?

Klar können sie. Sie handeln und schreien und mischen den Markt ein klein wenig auf.

Otto danach: “Wir haben das Beste draus gemacht.”

Dann wird abgerechnet. Der Mann aus dem Off ist gespannt:

“WAS HAT ES GEBRACHT?”

Und natürlich sind die drei Musketiere von Messi-Deutschland wieder einmal die strahlenden Helden. 2200 Euro und ein paar Zerdrückte. Natürlich darf die Off-Stimme der RTL-Augenwischer-Show zufrieden bilanzieren:

“DER EINSATZ VON MAURO, SÜKRÜ UND OTTO WAR WIEDER EINMAL EIN ERFOLG. UND AUF SIE WARTEN SCHON DIE NÄCHSTEN ABENTEUER: GANZ SICHER:”

Für den Sender zumindest. Denn eines steht nach 500 Folgen “Trödeltrupp” fest: Menschen-Müll ist sexy.

MORGEN: DAS TRÖDEL-VOLK