HI, ANGELA

29. januar, Berlin, heiter, 3 grad/Washington, heiter, -7 grad      —-    winter 16/17, Folge 20

 

Um fünf Uhr nachmittags setzt sich Angela gerade hin. Das Telefon geht los. Donald ist pünktlich.

„Ja, Merkel.“

„Hi Angela, hallo, Frau Bundeskanzler. Schön, dass wir jetzt reden können. Wie geht es?“

Steffen Seibert, an der Seite der Kanzlerin, verdreht die Augen. So hatte man es befürchtet. Dieser Neue im Weißen Haus hat seltsame Manieren.

„Guten Tag, Mister Trump. Ich gratuliere noch einmal. Haben Sie sich gut eingelebt?“

„Viel Arbeit. Furchtbar viel zu tun. Sie haben das ja wohl mit bekommen. Jede Menge Erlasse. Lange Tage. Aber das ist ein ziemlicher Saustall hier. Da muss ich erstmal durchgreifen, sonst bekommt man das ja nie auf die Reihe.“

„Mister Trump, hier in Deutschland sind viele Menschen ein wenig beunruhigt.“

„Achja? Na, kann ich mir denken. Aber was sein muss, muss sein.“

„Da ist zum Beispiel die Geschichte mit dieser Mauer an der mexikanischen Grenze.“

„Ach, alles halb so wild. Der Präsident dort drüben regt sich ein bisschen auf. Aber den bekomme ich auch wieder ruhig. Habe ihn erstmal ausgeladen. Momentan gibt es nichts zu bereden mit dem.“

„Wissen Sie, wir haben ja Erfahrungen mit so einer Mauer.“

„Das ist was ganz Anderes. Ich muss aufpassen, dass keine Fremden in unser Land kommen. Sie haben mit diesen Flüchtlingen einen katastrophalen Fehler gemacht.“

„Es geht doch hier um Menschen.“

„Nein, Angela, wir müssen unsere Grenzen kontrollieren. Wir haben da keine Wahl. Wissen Sie, ich habe bei mir genug Probleme. Da kann ich diese Terroristen nicht auch noch brauchen.“

„Die schwerste Prüfung ist ohne Zweifel der islamistische Terrorismus, der auch uns Deutsche seit vielen Jahren im Visier hat. 2016 griff er uns mitten in unserem Land an: in Würzburg, in Ansbach und vor wenigen Tagen erst am Weihnachtsmarkt hier an der Gedächtniskirche in Berlin.“

„Sehe Sie, das ist es doch, ich sag’s ja. Gegen die muss jedes Mittel recht sein. Waterboarding funktioniert, also werde ich es erlauben. Ich lasse niemanden mehr in unser Land, der nicht auf unserer Seite ist. Die Mauer wird gebaut – in einem Monat fangen wir an, und kosten wird uns das gar nichts. Ich hole mir das Geld von Mexiko wieder.“

“Sehen Sie, Darling: Die Geschichte mit Mexiko und den Isis-Leuten ist ja nur die Spitze vom Eisberg. Wissen Sie, was bei uns in Chicago los ist? Da gibt’s auf den Straßen ein Gemetzel. Das ist schlimmer als Afghanistan. Lange schaue ich mir das nicht mehr an – wenn die in Chicago das nicht in den Griff kriegen, dann schicke ich ihnen meine Truppen.”

„Aber…“

„Angela, wir müssen uns treffen. Ich habe ganz viele Ideen. Ich mag ja Euer Land. Berlin und Heidelberg und so. Mein Opa kam aus Deutschland hierher in die Vereinigten Staaten. War ein guter Mann. Gutes Bier habt Ihr auch. Trinken Sie Bier?“

„Äh…“

„Eben. Ich mag Euer Bier. Und die Würstel. Ich habe übrigens ein großes Herz, das müssen Sie wissen. Ich war so glücklich, als mich die Menschen vor einer Woche gefeiert haben. Mann, war das eine Menschenmenge, wow! Aber jetzt ist eben viel Arbeit, die getan werden muss. Obamacare fliegt mir um die Ohren. Die Sache mit dem fiesen Wahlbetrug muss ich auch aufklären. Angela, das müssen Sie sich mal vorstellen. Drei Millionen Stimmen für Hillary waren gefälscht. Da haben Tote ihre Stimmen abgegeben, oft in mehreren Staaten zugleich. Drei Millionen Stimmen, echt! Aber am Ende war ich es, der die Standing Ovations bekommen hat. Sogar die von der CIA waren ganz begeistert.

„Und Europa…“

„Ach Darling, machen Sie sich mal keine Sorgen. Läuft doch ganz gut bei Euch. Und wir werden uns schon vertragen. Das mit dem Brexit ist doch ganz gut am Rollen. Und die Geschichte mit den Flüchtlingen – da habt Ihr Eure Lektion gelernt. Also, Angela, das kriegen wir gut hin. Aber jetzt muss ich Schluss machen. Muss noch mit dem Wladimir telefonieren. Der hat auch ganz schön die Kacke am Dampfen mit der Ukraine und so. Naja, ich rede mal mit ihm. Wir sehen uns dann, okay. Ich wünsche Ihnen was.“

Angela legt auf. Steffen, an ihrer Seite, ist ziemlich verstört. Er gehe jetzt mal in sein Büro und denke sich was für die Presse aus.

Was er denn schreiben wolle?

Steffen zuckt mit den Schultern. Keine Ahnung.

Ein paar Stunden später heißt es: „Über mögliche Meinungsverschiedenheiten beider Seiten während des Telefonats wurde nichts mitgeteilt.

Neben der Nato seien die Lage im Nahen und Mittleren Osten sowie in Nordafrika, die Beziehungen zu Russland und der Konflikt in der Ostukraine besprochen worden, hieß es aus Berlin. Trump und Merkel hätten bekräftigt…Beide Politiker seien überzeugt, dass die Nato…Merkel und Trump verständigten sich zudem darauf, ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Terrorismus…“

Und so weiter, und so fort. Steffen ist ein Meister der Fake News.