FREIHEIT RIECHEN

münchen, 2. märz 2015

“Sputnik” kommt rum in der Welt. Am liebsten mag er die Ausflüge mit Freilauf. Er lässt sich dann so treiben von einem Geruch zum nächsten. Diesmal verschlug es ihn in Münchens Osten. Aufs Gelände des Isar-Amper-Klinikums. Das hat nicht immer so geheißen. Früher sagte man einfach “Haar”. “Haar” – das war und das ist immer noch eine der berüchtigsten Psychiatrien des Freistaats. Nach Haar kommen die , die es in der Gesellschaft nicht schaffen. Säufer, Drogenabhängige, Verwirrte. Die ernsten Fälle landen in der Geschlossenen. “Sputnik” ist dran vorbei gelaufen.

Es wird wieder einmal tüchtig gebaut. Ein kleiner Berg ist neben dem Sportplatz aus dem Boden gewachsen, und wegen der Kälte sind die Kiesel schön fest gefroren – eine Freude, den Berg hoch zu kraxeln.

Dann hockt “Sputnik” am höchsten Punkt und fühlt sich erhaben. Er wittert in alle Himmelsrichtungen, er kneift die Augen zusammen und blinzelt hinunter zu einem seltsamen Gebäude. “Die Burg” nennen die Menschen von Haar dieses viereckige Monstrum. Die Fenster sind vergittert und mit Rolläden verblendet, aus dem Inneren dringt kein Geräusch.

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Lass’ uns geh’n!

 

Um das Gebäude zieht sich ein vier Meter hoher Drahtzaun mit Stacheln an der Oberkante. Das Gebäude ist kalt und feindlich – und wer drin landet, kommt nicht mehr raus. Dort werden Menschen verwahrt wie tollwütiges Getier.

“Sputnik” trollt sich vom Berg. Er trottet an einer Baustelle vorbei. Ihm kommen traurige Frauen und Männer auf dem Weg zur Sporttherapie entgegen. Schmerzende Seelen erkennt “Sputnik” am Geruch.

Hundert Meter weiter stehen zwei finstere Männer im Weg. Sie haben Schutzwesten an und sehen  wie FBI-Kämpfer auf dem Kreuzzug aus. Auf ihrem Van steht “Haar Forensik”. Die Beiden riechen nach Zorn und Streit.

“Sputnik” trottet an dem hohen Haus vorbei, in dem die “Geschlossene” ist. Im zweiten Stock steht einer, dessen Blick ganz weit in die Ferne geht. Dann kommt Bewegung in den Mann. Wie gestochen dreht er sich um und verschwindet vom Fenster.

Wer sich auskennt, weiß:

Der Trinker hat von freier Luft geträumt. Dann klingelte das Patiententelefon auf dem Gang. Der Eingesperrte, der immer auf einen Anruf von draußen hofft, ist zum Telefon gehastet. Vielleicht wäre es diesmal für ihn. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

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“Sputnik” und die “Burg”

 

Kurz bevor er das Gelände verlässt, passiert “Sputnik” das Bistro (wo es übrigens auf dem Klo nach Medizin-Pisse stinkt und das Bier billiger ist als die meisten anderen Getränke). Zwei freundliche Männer entladen einen Transporter, es riecht nach Wurstwaren und Bäckerei-Sachen. “Sputnik” versucht, die Leine zu den Männern zu zerren, die Leine geht nicht mit.

Na gut, dann eben weiter, zur S-Bahn nach München.

“Sputnik” überquert die Straße, wechselt auf einen Bürgersteig der Gemeinde Haar. Er wedelt mit dem Schwanz.

Hier riecht es toll. Nach freien Menschen und nach feinen Hunde-Damen. Alles so Sachen, die einem Köter gefallen.