ER HAT EIER

16. april 2017                  ———–            DER NEUE, Tag 87

Weimar/Washington

 

Frau B., Aufseherin im Goethemuseum, hat einen schweren Kopf. Gestern hat sie sich gehen lassen. Hat sich in der Kaufhalle, die jetzt der „Penny“ ist, Zigaretten und Rotwein zum Überstehen der Nacht gekauft.

Den Fernseher in ihrer Zweiraumwohnung eingeschaltet, auf der Couch ist sie weg gepennt, wieder aufgewacht, hat den Rest des Weins ausgesüffelt, den Fernseher ausgeknipst, ist ins Schlafzimmer gewechselt, scheußliche Sachen hat sie geträumt

Morgens viel Schminke, ein starker Kaffee und zwei Scheiben Marmeladenbrot, hinunter in die Stadt, Position bezogen an der Treppe.

Alles nicht der Rede wert. Keine großen Aussichten. Da braucht man nicht aus dem Fenster zu sehen.

Es regnet. Es ist kalt. Im Thüringer Wald soll es schneien.

Im Tale grünet Hoffnungs-Glück;/Der alte Winter, in seiner Schwäche,/Zog sich in rauhe Berge zurück…

Blablabla. Quatsch.

Die Menschen haben Wintersachen an und müffeln wie Penner bei Regen, wenn sie ins Museum kommen.

Ich höre schon des Dorfs Getümmel,/Hier ist des Volkes wahrer Himmel,/Zufrieden jauchzet gross und klein:/Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein.

Gewäsch. 2017 ist ein beschissenes Jahr für Ostern.

Beim TSV Berlstedt haben sie sich nicht beirren lassen. 500 bunte Ostereier und ein paar goldene haben sie auf dem Sportplatz versteckt, die Kinder haben das Zeug schnell eingesammelt und sind schnell zurück ins Klubheim, wo es warm ist, es ist kein schönes Fest gewesen.

So hat es der Kollege von Frau B. erzählt, dann fragte er, wer denn am Montag Dienst schieben müsse. Frau B. hat sich gefreut, weil sie am Ostermontag ausschlafen darf. Da kann sie sich eine ordentliche Auszeit nehmen. Eigentlich ganz willkommen, dass es so ungemütlich ist in der Stadt. Da hat Frau B. wenigstens einen wunderbaren Grund, sich in ihrer Wohnung zu verschanzen.

Vielleicht muss sie sich noch Nachschub bei der Tanke besorgen.

 

 

Eier werden letztendlich auch in Washington gefunden. Goldene sind dabei, klar, so hat es Mister Trump gewollt.

Donald Trump erledigt zähneknirschend seine sozialen Pflichten.

Beim traditionellen „Ostereierrollen“ („Easter Egg Roll“) muss der Präsident sich in Washington zeigen. Das Fest läuft bereits seit dem frühen Morgen, als die Trumps am späten Vormittag auf einem Balkon des Weißen Hauses erscheinen. Donald trägt einen Anzug mit roter Krawatte, seine Frau Melania ein hellrosafarbenes Sommerkleid. Neben ihr steht ihr elfjähriger Sohn Barron. Der Präsident hat mies geschlafen auf dem Flug aus Florida. Sein Lächeln ist schief – als hätte er jüngst einen Schlaganfall gehabt.

Seine Frau Melania muss ihm einen leichten Schubs geben, damit der Präsident bei der Nationalhymne die Hand auf sein Herz legt.

Der Präsident liest auch den Kindern nichts vor. Das hat der Ex, Mister Obama, immer gemacht. Und immer hat er als Lektüre sein Lieblingsbuch „Wo die wilden Kerle wohnen“ ausgesucht.

Donald Trump braucht so etwas nicht. Er sieht aus wie ein wilder Kerl, er ist ein wilder Kerl. Und er findet dieses Ostern 2017 scheiße.