EITERBEULEN

Startschuss: 17. August 2019, 6.00 Uhr. Zielschluss: 18. August 2019, 12.00 Uhr. Dazwischen: 160 Kilometer zu Fuß rund um Berlin. Das Event heißt “Mauerweglauf”. In “Vettensjournal” das Protokoll der Vorbereitung. Es beginnt am 9. März 2019 und endet am 17. August: 22 WOCHEN.

Sabrina stößt die Wörter und Sätze keuchend heraus. Pro Schlag eine Anklage und ein Fluch-Wirbel.

„Ich“. Hieb. „lass mir das nicht gefallen.“ Hieb. „Was bilden“. Hieb…

So klopft sich Sabrina, die Bildhauerin aus Südtirol, den Zorn aus von der Seele. Jeder Schlag lässt ein Stück Ahorn aus dem großen Klotz spritzen, es fliegt durchs Atelier, landet auf dem Holzboden neben anderen Ahornlocken. Hans Krohn hält sich schön ruhig – es ist besser, die Frau in ihrer Wut jetzt nicht zu stören.

Das alles muss mal raus. Also:

Die haben sich doch verschworen. Jetzt, wo ich mich durchgesetzt habe und nicht in die Chemo muss, lassen sie mich das spüren. Das passt nicht ins System, dass der Patient seinen eigenen Kopf behält.

Ich soll die Strahlen bekommen, das muss ganz schnell gehen, nach der Operation. Sie sehen sich die Wunde an – alles bestens, nun geht es los mit den Strahlen. Ich gucke mir alles an und frage, ob es wirklich okay ist, dass da Eiter in der Wunde ist. Sie kratzen sich die Stirn und meinen, so gnz toll ist das dann doch nicht. Die Narbe ist nicht richtig verheilt, sagen sie. Da kann man noch nicht ran.

Davor konnte es ihnen nicht schnell genug gehen. Und auf einmal haben sie alle Zeit der Welt.

Was habe ich eigentlich davon, dass ich so lange ein die Versicherung eingezahlt habe? Was hat mich dieser Verein schon gekostet! Wenn ich jemandem erzählt habe, was da von meinem Konto abgeht, dann hat man mich jedesmal für verrückt erklärt. Warum ich das tue?

Weil ich es irgendwann mal brauche.

Und? Hab‘ ich es gebraucht? No, signori. Ich war viel zu gesund für den Krankenversicherungs-Scheiß. Nicht mal eine Blinddarm-Operation. Ein paar tausend für die Zahnärzte, ansonsten war ich fidel und habe gezahlt, gezahlt, gezahlt.

Nun bin ich mal krank. Aber was passiert? Sie behandeln mich wie eine Nummer. Jagen die jungen Ärztinnen auf mich, die sollen an mir ausprobieren, ob sie schon was können.

Sie lassen mich sitzen und warten. Kein Unterschied zu den Kassenpatienten. Nicht dass ich etwas Besonderes sein will – aber warum habe ich geblecht wie für eine VIP-Loge und jetzt sitze ich ganz hinten in der Touristenklasse?

Nein, Leute! Das geht nicht so weiter!

Ihr werdet mich noch kennen lernen. Ich sehe, wie das falsch läuft. Das ganze System im Arsch. Wohn Du auch schaust – es ist ein einziger Beschiss. Total krank.