EINE RUNDE WELT

berlin, 15. april 2015

77! Da kriegste die Motten, die Frau ist 77! Hockt sich den Hintern am Volant ihres Oldtimers platt und schrubbt die Kilometer im Tausender-Akkord. Pennt in wildfremden Betten oder im Schlafsack neben dem Auto. Malträtiert ihren Magen mit Exotika, die den gewöhnlichen Westeuropäer außer Gefecht setzen würden. Schlägt sich mutterseelenallein in Ländern durch, in denen sie kein Wort versteht und kein Einheimischer sich einen Reim drauf machen kann, was diese Alte Frau da zu suchen hat. Heidi Hetzer, 77, gurkt in einem irre alten Wagen einmal um die Welt. Echt abgefahren ist das!

Zur Welt kam Heidi Hetzer 1937 als Tochter des Unternehmers Siegfried Hetzer; der hatte 1919 in Berlin einen Victoria-Fahrzeughandel gegründet und ab 1933 als Opel-Autohaus geführt. Heidi Kfz-Mechanikerin, scherte nach einigen Jahren Selbstständigkeit und einem Austauschjahr in den USA im väterlichen Betrieb ein. Mit 31 übernahm Heidi Hetzer nach dem Tod des Vaters im Jahr 1969 das Unternehmen mit Sitz in Berlin-Charlottenburg, das sie zu einem der größten Autohäuser Berlins ausbaute und bis 2012 leitete.

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Schrauben am Oldtimer? Kein Problem für Heidi Hetzer.

 

Sie ist eine der wenigen erfolgreichen Unternehmerinnen ihrer Branche, als Rennfahrerin fuhr sie furchtlos im Kreis, in Berlin engagierte sie sich für sozial Schwache, sie war zeitlebens eine, die sich im Rampenlicht wohl gefühlt hat.

Das kann es noch nicht gewesen sein, sagte sich die Ü-70-Frau.

Da war doch noch was.

Sicher: Heidis Traum von der Weltumrundung.

Sie wollte es machen wie Clärenore Stinnes. Die hat den Trip schon vor knapp 90 Jahren gewagt. Wurde auf der Reise sogar vom amerikanischen Präsidenten empfangen. Nach fast 47.000 gefahrenen Kilometern erreichte sie am 24. Juni 1929 die Hauptstadt. Die Weltumrundung dauerte zwei Jahre und einen Monat.

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Berlin-Berlin. Dazwischen liegen zwei Jahre Extrem-Reisen.

 

Jetzt ist sie also seit einem halben Jahr unterwegs. Sie hat zwei männliche Begleiter verschlissen, alle Pannen behoben, ihr Auto durch jeden Zoll gerollt. Auf den Fotos sieht sie blendend aus. Sehnig, braun gebrannt, entschlossen lächelnd.

Und im Netz scharen sich – mehr und mehr – die Bewunderer um sie.

“Liebe Heidi” schreiben sie – und man kann die Träume und die Hoffnungen der Menschen aus den Mails lesen:

“Seit ich die Frau Hetzer kenne, etwa seit 1968, war sie schon immer etwas besonderes. Hatte immer voller staunen sie beim Ralley fahren bewundert…na, ja, und jetzt jagt sie die Abenteuerlust…aber bitte, mit welchem Mut oder Wahnsinn muss sie beflügelt sein, es mit einem Oldtimer, der mindestens so alt ist wie sie, es zu versuchen???”

 “Liebe Heidi, ich habe dich waehrend meiner Uzbekistan Reise um den 15.oder 16. Sep. herum in Samarkand oder Bukhare ausserhalm eines Segafredo Café getroffen (Ihr hattet gerade das Kurbelwellen Lager aus Ohio montiert). Meine damalige Einladung, bei uns in Playa del Rey (Los Angeles) abzusteigen wenn Du 2015 in den USA ankommst, steht noch immer!”
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“Eigentlich kann ich Hudo nur loben. Gestern hat er nicht einmal gemuckst. Ich bin auch langsamer geworden und schone ihn. Nur mal quatschen und durchsehen , ob ihm etwas auffällt.” (Heidi Hetzer, vor sieben Stunden im Netz)

“Liebe Frau Hetzer! Ich bin in Budapest geboren in einen Sonntag 26.09.1965. Also bin ich auch kein Tini mehr 😉 🙂  Seit 28 Jahren lebe ich in Österreich, Wien. Bin humorvoll, lustig und immer mit einen Lächeln auf dem Gesicht unterwegs. Ich weis und kann sehr gut nachvollziehen was Sie fühlen bei diesem Reise. Bereise jedes Jahr zwischen 2,5-4,5 Monat ganz allein (ohne Begleiter, Mechaniker oder jegliche Hilfe) mit meinem Auto (ein 15 Jahren alte Toyota RAV4, der diese Zeit auch mein zu Hause ist) allein ganz Spanien und Portugal. Diese Reisen finanziere ich immer mit meinem letzten Cent, also wenn was passiert, bin ich nur auf mich gestellt. Ich fühle, dass wir Seelenverwandten sind. Ich wünsche Ihnen eine erfühlende Dasein.”

“Liebe Frau Hetzer, wir begleiten Sie in Gedanken und denken alle oft an Sie. Es ist bewundernswert, wie Sie sich allen Widrigkeiten stellen und sich nicht beirren lassen- doch das haben wir auch nicht anders erwartet. Bleiben Sie gesund.”

“Hallo Heidi, ich sitze in Westsibirien (Omsk), komme eigentlich aus Berlin und verfolge deine Reise mit großem Interesse. Möchte jetzt auch meine Studenten und Kollegen neugierig auf dich und dein Projekt machen. Sie alle lernen Deutsch oder unterrichten es. Wäre schön, wenn wir uns hier treffen könnten, kommt ja selten jemand aus Deutschland vorbei.”

Also, wenn einer vorbei kommt, ist es die Heidi, die allen demonstriert, was Lebenslust ist. Diesmal kann sie in Omsk nicht Station machen, sie ist ja schon in Neuseeland. Aber vielleicht auf der nächsten großen Reise. Oder später mal.

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Flotte Biene mit Marschgepäck.