DER STAR

berlin, 26. januar 2015

Walter Freiwald ist 60 und nicht besonders in Form. Er raucht zuviel und schafft keine 20 Stufen am Stück. Der Mann hat dicke Tränensäcke und sehr traurige Augen, sein Friseur müsste Schmerzensgeld zahlen. Walter Freiwald ist ein erheblich aus der Fasson geratener Mensch. Aber seit zwei Wochen gilt er als „Star“. Ja, wie denn das?

Als Sohn der Stadt Wittmund wird Walter Freiwald zwischen HansWilhelm Müller-Wohlfahrt und Matthias Rogg mit einem Satz auf “wikipedia” abgehandelt. Rogg ist Offizier und Historiker, Müller-Wohlfahrt ein bekannter Sportarzt.

Und Freiwald?

Das ist der aus dem “Dschungelcamp”. Dem Mann sind die Verantwortlichen des RTL-Formats “Ich bin ein Star – holt mich hier raus” echt dankbar. Schließlich macht er sich unablässig und scheinbar schmerzfrei zum Affen.

Das ist geil, das macht Lust auf mehr. Wenn der Walter wütet, wollen die Liebhaber des TV-Trashs unbedingt live dabei sein. Und so haben sich am Wochenende wieder mal siebeneinhalb Millionen Voyeure zugeschaltet und damit das “Dschungelcamp” zur beliebtesten Sendung im deutschen Fernsehen überhaupt gemacht.

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Ich bin kein Star – holt mich nicht raus!

 

2013 noch haben sich die die Herrschaften der “Zeit” Sorgen gemacht, weil das “Dschungelcamp” für den Grimme-Preis nominiert war. Man wähnte sich kurz vorm Untergang des Abendlandes. Die Sendung ist dann doch am Preis vorbei geschrammt, aber trotzdem…

Nun meldet sich in der FAZ ein hochdotierter Schauspieler zu Wort: Er sei ein echter Fan des “Camps”, erklärt Ulrich Matthes. “Wenn das Moderatorenpaar am Anfang auf der wackelnden Hängebrücke steht, dann freu’ ich mich. Man ist im Dschungel! Dazu kommen so schlechte Eigenschaften wie enthemmter Voyeurismus und Schadenfreude. Wobei ich als Kind beigebracht bekommen habe, dass sich Schadenfreude gegenüber Schwachen nicht gehört. Aber die Erwachsenen im Dschungelcamp haben sich ihr Schicksal ausgesucht und werden hoch bezahlt. Dadurch ist meine Schadenfreude legitimiert.”

In diesem Jahr hat Matthes einen neuen Helden. Walter Freiwald, der sich für nichts zu schade ist. Geboren eben in Wittmund, Moderator bei Radio Gong und dem Radio Luxemburg. Zweiter Mann bei “Der Preis ist heiß”. Wechsel zu Teleshopping-Sendern. Bewerbung zur Wahl des Bundespräsidenten. Koch beim “Promi-Dinner”. Gastauftritte in der Seifenoper “Unter uns”.

Walter Freiwald zu Beginn des Jahres 2014: kein Job, keine Perspektive, keine Hoffnung. Ende einer Bergab-Karriere.

Da klingelten die Scouts von RTL bei Freiwald durch und beschwatzten ihn. Man verhandelte, der Arbeitslose Walter F. pokerte hoch, aber nicht zu hoch. Und unterschrieb letztendlich. Die Gage liegt bei 70000 Euro.

Und jeden Abend nach 22 Uhr darf Freiwald in eigener Sache aktiv werden. Er kennt das Business. Dieser PR-Job im Camp tut weh. Im “Dschungelcamp” hat nur der eine Chance, der den Deppen und den Verlierer gibt. Die Menschen müssen Dich am Boden sehen.

Und so ist Freiwald der Ritter von der traurigen Gestalt.

Ist ja nicht wirklich neu für ihn, diese Rolle. In seiner Verkaufsshow hat er schon regelmäßig die Hosen runter gelassen. Das war kein Zufall, sagen die, die dabei waren. Pearl-TV-Chef Michael Sichler erinnert sich: “So manchem Kollegen sind die Bilder ins Hirn gebrannt. Walter war sehr freizügig. Er lief hier regelmäßig in Boxershorts rum. Auch die Umkleide war immer offen.”

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Die guten alten Zeiten: Harry Wijnfoord und Kolleginnen machen gute Miene zum wilden Walter (Zweiter von links). FOTO: BARBARA VOLKMER

 

Und auch Moderator Harry Wijnfoord staunt nicht schlecht, wenn er hört, was der Walter im australischen Busch alles von sich gibt. Er erklärt, dass der Wijnfoord ein echtes Kollegenschwein sei, der es doch vor laufender Kamera vermasselt hätte, wenn da nicht ein gewisser Walter Freiwald die Show regelmäßig gerettet hätte.

“Ich war sehr erstaunt, als ich das hörte. Ich dachte, auf was für einem Trip bist du denn? Das ist ja nicht mehr normal. Bei uns auf den Korridoren lief er immer in Unterhosen rum, egal ob da Männlein oder Weiblein waren. Der war der Einzige, der in einem Top-Team immer wieder von der Rolle war.”

Aber Harry Wijnfoord – ein Mann mit wunderbaren Manieren – muss mit seinen eleganten Moderationen immer noch über die Dörfer tingeln, während es den durchgeknallten Walter im Dschungel nach oben zu spülen scheint. Wenn das so weiter geht, wird der Mann noch für den Grimme-Preis vorgeschlagen.

Morgen: Immer mehr Trödel – die Messis übernehmen das Fernsehen.