DEPP

Startschuss: 17. August 2019, 6.00 Uhr. Zielschluss: 18. August 2019, 12.00 Uhr. Dazwischen: 160 Kilometer zu Fuß rund um Berlin. Das Event heißt “Mauerweglauf”. In “Vettensjournal” das Protokoll der Vorbereitung. Es beginnt am 9. März 2019 und endet am 17. August: 22 WOCHEN.

Krohn notiert, 12. August

„Du stinkst.“

Kann gar nicht sein, dass sie das wahrnimmt. Ich bin gerade mal einen Schritt von der Terrasse in die Wohnstube getreten. Sabrina steht mir abgewandt vor der mater dolorosa und hat sich nicht umgedreht. Sie hat die Tür gehört und reflexhaft erklärt, ich röche nicht gut.

„Ich gehe gleich duschen.“

„Stecke bitte die Sportsachen gleich in die Waschmaschine.“

Sie dreht sich um und sieht mich ungut an. Sabrina trägt nur Slip, T-Shirt und die Schutzbrille. Der Arbeitsplatz ist übersät mit Holzsplittern, -spänen, größeren Stücken. Sabrina hat mit der Motorsäge an dem Ahornklotz gewütet. Sie hat, wenn wir es recht betrachten, ihre ganze Arbeit der letzten Zeit zerstört. Steht, zornige Amazone, da, schwitzt, die Haare sind nass, das Gesicht ist rot, die Augen voller Zorn.

Ich sage lieber nichts. Sie aber gibt sich nicht mit Schweigen zufrieden.

„Also, ist das jetzt wirklich Dein Ernst, mit diesem komischen Lauf?“

Ich nicke.

„Ich habe ja gedacht, Du wirst vernünftig. Aber das kann ich wohl vergessen. Kannst Du’s mir erklären?“

Ja, das habe ich schon versucht. Ich verstehe, dass sie mit den Erklärungen nichts anfangen kann, sie klingen auch wirklich nicht sehr vernünftig. „Der Lauf ist für mich wie eine Wallfahrt. So ein Überbleibsel aus der katholischen Erziehung. Ich will das machen, und danach wirst Du gesund.“

„Was für ein Quatsch.“

„Ja, natürlich ist es ein Schmarrn. Ich weiß das auch. Aber ich habe es mir eingebildet – und jetzt mag ich keinen Rückzieher machen. Schau: Es ist richtig schwer, wenn ich zuschauen muss, wie Du Dich quälst. Ich kann nicht viel machen.“

„Das stimmt ja nicht.“

„Ich muss für Dich da sein. Wenn ich es gut hin bekomme, nehme ich Dir Dinge aus dem Alltag ab. Du hast mich als Chauffeur, Du kannst Dich auf mich verlassen. Aber wenn die Schmerzen da sind und wenn die Angst kommt, bist Du allein. Da kann ich nicht helfen – und das ist scheußlich. So ein komisches Aberglauben-Gelübde wie das mit dem Mauerlauf ist Augenwischerei, ich weiß. Aber es lenkt mich ab und hält mich in der Spur.“

„Ach was, Du fliehst doch nur.“

Ich weiß keine Antwort. Habe nichts zu sagen. Verkneife mir Antworten, die mir durch den Kopf geistern.

Lieber gehe ich duschen.