ENDLOS KREATIV

berlin, 15. mai 2015

Hymnisch klingt, was da bei critic.de zu lesen ist. “Man glaubt es kaum, aber ,Flucht nach Berlin’ war erst der dritte Film aus der BRD, der sich mit der Teilung Deutschlands beschäftigte. Ein finanzieller Erfolg wurde er dennoch nicht. Dafür aber ein frühes Meisterwerk des jungen deutschen Films, noch bevor die Unterzeichner des Oberhausener Manifests ihre Kugelschreiber zücken konnten. Das DVD-Label Darling Berlin hat Trempers Debüt nun neu herausgebracht – als liebevoll gestaltete Edition, die sich ihrer filmhistorischen Bedeutung bewusst ist.”

Weiter schreibt Michael Kienzl – und der Mann hat Wort für Wort Recht -, mit Trempers Film von 1961 “präsentiert sich das deutsche Kino von einer viel zu selten gezeigten Seite, bei der sich das Populäre und das Unbequeme nicht ausschließen müssen.” 
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Tremper hält Hof. Tischgenossen sind unter anderem Hildegard Knef und ihr Mann Paul von Schell und ein gut frisierter Rex Gildo. Foto: privat

Was für ein Kerl, dieser Will Tremper! Gefilmt hat er, Bücher und Zeitungen mit klugen Wörtern und couragierten Ketzereien gefüllt, er hat gelebt, geliebt, die Kerze von zwei Seiten angezündet. Honorare hat erschrieben wie kaum ein Anderer aus der Journalistenzunft. Aber wie sagte er zu seiner Frau Celia, wenn mal Ebbe in der Kasse war:
“Puzelchen, mach’ Dir keine Sorgen. Ist doch nur bedrucktes Papier!”

Der Mann ist lachend in jeden Ring geklettert. Eva Renzi, die er vor mehr als 30 Jahren mit seinem Film “Playgirl” zum Star gemacht hatte, setzte gegen den Buchautor Tremper eine einstweilige Verfügung durch. Zwei Passagen mussten geschwärzt werden. Na und? Tremper grinste sich eins – dieses Anecken gehörte für ihn zum Spiel. Nach seinen Serien “Erfahrungen in einer verrotteten Industrie” (gemeint war die deutsche Filmindustrie), 1966 in der “Zeit” erschienen, und “Deutschland, Deine Sternchen”, die es 1959/60 im “Stern” auf 56 Folgen (und 72 gewonnene Prozesse) war der nette Herr Tremper ein mit allen Wassern geläuterter Gerichts-Held.

Die “Sternchen”-Serie. Dazu zeitweise parallel zwei weitere wöchentliche Serien im “Stern”, für den er seit 1957 fest tätig war. Polizeireporter beim “Tagesspiegel”, Reporter und Serienautor für die “B.Z.”, Mit-Erfinder und Textchef der neuen Frauenzeitschrift “Jasmin”, Filmkritiker für die “Welt am Sonntag”…

Und nie ging dem Marathon-Kreativen des Wirtschaftswunder-Journalismus die Puste aus.

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Mit allen auf Du und Du – hier mit Johanna König, in Sauberland-Germanien auch bekannt als die “Klementine” aus der Waschmittel-Werbung. FOTO: BARBARA VOLKMER

Als Filmemacher fand Tremper seine Stoffe hinter den Schlagzeilen der Boulevardpresse, es ging um junge Wilde (“Die Halbstarken”, 1956), die Affäre um eine erfundene Zeitungsgeschichte (“Nasser Asphalt”, 1958), einen DDR-Flüchtling, der sich auf einen US-Militärzug flüchtet und damit diplomatische Verwicklungen auslöst (“Verspätung in Marienborn”, 1963) oder eben die Zwangskollektivierung in der DDR (“Flucht nach Berlin”, 1960). 

Und nie konnte man den hyperaktiven Erzähler einnorden, der Mann ließ sich nicht bändigen.

1966 schrieb der “Spiegel” über den Einzelkämpfer und das Multitalent Will Tremper:

“Der ,Boulevard-Orson-Welles’ (so Kritiker Klaus Hebecker) filmte überwiegend ,aus der hohlen Hand’ und verpfändete gelegentlich ,auch das letzte Hemd’ (Tremper). Die folgenden Filme, ,Die endlose Nacht’ und ,Playgirl’, fabrizierte Tremper dann als sein eigener Produzent.

Weil kein deutscher Verleiher das ,Playgirl’ wollte, wurde Tremper schließlich auch Verleiher – er vermietete seinen Film selbst an die Kinos.

,Das ist genau der Boulevard-Film, den ich am Kudamm brauche’, urteilte Berlins Kinokaiser Max Knapp über Trempers ,Playgirl’. Allein in Knapps ,Gloria-Palast’ erzielte der Film einen Billett-Umsatz von 150 000 Mark.”

Jetzt gibt es also die “Flucht nach Berlin” auf DVD. Das ist eine schöne Nachricht. Da lohnt das Hingucken. Morgen mehr im “Journal”.