BESTE JAHRE

„2017”*, Folge 20, 7. Oktober, großer Kater nach großem Sturm.

 

RAF-Leute erschießen Polizisten. Erich Honecker wird „drüben“ der Chef im Staat. Im „Stern“ outen sich Frauen, sie hätten abgetrieben. Bundesliga-Skandal.

Man schreibt 1971.

Die Welt dreht sich schnell, viel los auf dem Globus.

Edmund ist jetzt 30 – und sein Leben kriegt einen Knacks.

Die Frau bekommt eine Tochter. Viola heißt sie. Ihre Mutter wird behäbig und nimmt nach der Schwangerschaft weiter zu. Rund ist sie jetzt, redet nur noch von Erziehung und neuen Anschaffungen. Das Paar vergisst, wie Sex geht. Manchmal geht Eddy ein bisschen fremd, aber das Lügen und Vertuschen ist anstrengend. Die Frau legt zwar keinen Wert mehr auf Beischlaf, aber sie will einen treuen Mann.

Es ist schwer mit ihr. Sie lacht nicht, sie gurrt nicht, manchmal trinkt sie tagelang. Im Rausch sagt sie böse Dinge, stellt die Hausarbeit ein.

Eddy bleibt – wenn er schon nicht fremd geht – länger in der Firma. Charly und er machen viel Geld. Ab und zu fahren sie mit Charlys Mercedes in den Westen. Im Taunus mieten sie eine Jagdhütte und feiern die guten Geschäfte. Zurück in Berlin lassen sie dann und wann die Puppen tanzen. Auch Charly ist verheiratet, auch er mag seine Frau nicht mehr sehen, die Damen ihrerseits verstehen sich blendend. Likörchen und Sekt am Nachmittag und Bummel übern Ku’damm.

Sollen sie machen. Wenn sie bloß nicht zu sehr nerven.

 

Die RAF-Frau Ulrike Meinhoff erhängt sich in der Zelle. „Drüben“ wird der „Palast der Republik“ eingeweiht. Steve Jobs gründet Apple. Die Hertha wird in der Bundesliga Elfter.

Man schreibt das Jahr 1976.

Eddy ist 35 und so unzufrieden wie noch nie im Leben. Seine Frau wiegt 100 Kilo und hat das Fernsehen zu ihrem Hobby gemacht. „Sterns Stunde“. „Ein Herz und eine Seele“. „Smog“. „Cannon“. „Wir warten aufs Christkind“. Und an Silvester „Showpängggg“. Sie hat viel zu lachen, wenn sie vor dem Fernseher sitzt. Dazu gibt’s was zu knabbern und Piccolöchen.

Viola ist ein Sonnenschein – oft ist sie jetzt am Wochenende mit dem Papa im Zoo.

Charly sagt zu Eddy: „Junge, Du musst was für Dich tun. So gehste vor die Hunde. Lass Dir scheiden.“ Eddy nickt. Wahrscheinlich hat Charly ja recht. Nur ist der Freund ein schlechter Berater. Er raucht wie ein Schlot, tut sich schwer beim Gehen. Hat eine Freundin in Charlottenburg, zu der er viel Geld trägt. Und hat selbst eine Alte, die  – ungeschieden – vor der Glotze verludert.

Im Vergleich zu seinem Freund hat sich Eddy sogar noch ganz gut gehalten. Er fährt an heiteren Tagen mit dem Rad ins Geschäft und geht viel spazieren.

Man wohnt jetzt in Schöneberg, das macht mehr her als das versiffte Kreuzberg. Also schnappt sich Eddy nach dem Abendessen die Schlüssel und verschwindet im Volkspark. Stundenlang lässt er sich treiben, ab und zu sucht er sich in der Nähe eine Pinte, wo er dann reglos und schweigend am Tresen steht.

Ja, Scheidung wäre wohl eine Lösung. Aber das kann man Viola nicht antun. Man wird sich wohl arrangieren.

 

*“2017“ beginnt in der Kalenderwoche 38 des Jahres 2017 und endet am 31. Dezember. Thema: 105 Tage Deutschland. Unterwegs in der „Heimat“.