SIEG FÜR AUSTRIA

wien, 28. april 2015

Der deutsche Querkopf Dieter “Didi” Hallervorden hat sich durch einen frechen Spruch (siehe auch “Journal” von gestern) in Österreich sehr unbeliebt gemacht. So schnell wird ihm das nicht verziehen. Heute haben sich die Wiener noch einmal an dem unbotmäßigen  Berliner abgearbeitet. Dabei ist zur Zeit vieles faul im Staate. Wien und der Rest der Republik möchten so sehr gerne feiern – aber die Brunnenvergifter sind allüberall unterwegs.

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Eine Stadt wie gemalt, dem Himmel so nah.

In Wien mußt’ erst sterben, bevor’s dich hochleben lassen. Aber dann lebst’ lang.

Das hat der große Mime Helmut Qualtinger gesagt. Der Mann trug schwer an seiner Heimatstadt: Er wollte nicht mit ihr und er konnte nicht ohne sie. Also hat er gegrantelt und geheult, gesoffen und berserkert – aus Wut und Zorn und Ohnmacht über Wien, nur Wien allein.

Nun ist der Helmut schon seit September ’88 in der Grubn. Manchmal, möcht’ man meinen, Gevatter Tod hat es gut gemeint mit dem dicken Mann. Denn dieser Tage beispielsweise ist Wien eine Stadt, vor der sich der sensible Herr Qualtinger grauslig geforchten hätte.

Da ist zum Beispiel der Kollege Hallervorden, Gast aus Deutschland, zur Zielscheibe der austrianischen Moralapostel geworden, weil er den Österreichern eine gewisse patriotische Blasiertheit nachgewiesen hat. Auch am heutigen Dienstag knüppeln sie noch auf den vorlauten Didi ein. Michael Jeannée, Schaum-vorm-Mund-Kolumnist der “Kronen-Zeitung” lässt sich nicht lumpen: Herr Hallervorden sei “an Peinlichkeit nicht zu überbieten”, die Deutschen bekämen zu viele Kulturpreise – und überhaupt: Ist nicht Österreich eh besser?

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Alles hat Größe, Träume wachsen ins Elysium.

Da haben wir ihn wieder mal: einen tief wurzelnden Minderwertigkeitskomplex, den die Österreicher schon zu Qualtingers Zeiten auf ihre eigene Art kompensierten:

A Unentschieden is a Sieg für Österreich!

Bald schon, Mitte Mai, wird Wien der Nabel der Welt sein. Da gibt es einen Sängerwettstreit, auf den sich Austria mindestens so freut wie auf Olympia im eigenen Land. Dann ist Grand Prix d’Eurovision – und die Nation wird Kopf stehen.

Bis dahin haben sie aber noch ein paar Dinge abzuarbeiten:

Das mit ihrer Rolle in der Nazizeit kriegen sie nicht so recht auf die Reihe. Und auch nicht die Jahre nach dem Kriegsende. Heute lobt der “Standard” den “Republikgründer” Karl Renner (einen, der die Juden nicht besonders mochte): “Ein jovialer Biedermann, trickreich und verschlagen. Er war kein ,großer Mann’, kein Ehrfurchtsobjekt, aber seine Kunst des schlauen Durchwurschtelns hat in einer entscheidenden Situation funktioniert.”

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Und wenn es mal nicht voran geht, wurschtelt man sich schon durch.

Klasse, wenn ein Land solche Vorbilder hat.

Aber egal, sagen sich der Ösi. Hauptsache, er weiß sich tolerant. 72 Prozent der Österreicher glauben das von sich, so kommuniziert das heute “meinungsraum” nach einer repräsentativen Umfrage. Ergebnis ist freilich auch, dass 60 Prozent der Österreicher argwöhnen, ihre Mitmenschen seien genau das Gegenteil von tolerant.

Des Weiteren erfahren wir, dass die Österreicher ein Volk der 42-Prozenter sind. 42 Prozent der Menschen in Wien und im Rest der Republik finden’s blöd, wenn:

…zwei schwule Kerle ein Kind adopotieren.

…eine Verkäuferin ein Kopftuch trägt.

…in der Nachbarschaft ein buddhistisches Zentrum erbaut wird.

Das nennt man wohl aufrecht und wertkonservativ. Das sind kernige Aussagen, an denen sich nicht deuteln lässt. Das hat was.

Oder?

Oder sollte man an den Qualtinger denken? Der hat mal geseufzt:

Manchmal weiß ich nicht, ob ich ein Wiener oder ein Mensch bin.

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Im Mai geht’s um die Wurst – da blüht den Wienern was. FOTOS: BARBARA VOLKMER

Morgen: Es geht um die Wurst