DER PIEFKE-SKANDAL
wien, 27. april 2015
“sputnik” stromert wieder einmal durchs schöne Wien, schnüffelt an jeder stinkenden Hausecke und steckt den Riecher in jeden frischen Haufen, den die Hundebesitzer nicht weg geräumt haben. Das macht dem deutschen Hund großen Spaß. Dann tapst er über eine Gratiszeitung, die den Austrianern die Welt in plakativer Weise nahe bringt. “Österreich” heißt das Blattl und wacht unbarmherzig über die Moral im Lande. Die Zeitung riecht schlecht, nicht nach Hund oder Hündin. “sputnik” rümpft die Nase und hebt das Bein. Für ihn ist die Sache erledigt. Für die Diplomaten nicht.
An diesem Montag macht “Österreich” mit dem Foto eines zausebärtigen Deutschen auf, der eine Art Oscar in der einen Hand hält und sich mit der anderen an die Intellektuellen-Brille greift. Der Mann ist aber kein Feingeist, sondern nur “Didi” Hallervorden. Und der hat sich schlimm daneben benommen: “Nazi-Eklat bei Romy-Gala – so kam es zum Skandal”.
Dieter Jürgen Hallervorden wird in diesem Jahr 80 – und entweder verlassen ihn auf die alten Tage die letzten guten Geister, oder er will sich nun im Herbst des Lebens noch den einen oder anderen Jux machen, den sich die meisten Menschen nicht zutrauen. Gerade hat er im Kino-Kassenhit “Honig im Kopf” brillant einen dementen Greis verkörpert. Nun, da er in Österreich für diese Rolle mit dem begehrten Medienpreis “Romy” geehrt wurde, ist er bei der Gala aufgetreten wie einer, der sich für eine Sofort-Überstellung ins Narrenhaus bewirbt.
Was passiert ist? Hallervorden hat das gemacht, womit er sein Leben bestritten hat. Er ist angeeckt. Der Mann, der als Student mal ein Attentat auf Walter Ulbricht in Planung hatte, aber dann auf sanften Druck der Freundin hin weiter Theaterwissenschaften büffelte, als Fremdenführer, Bauhilfsarbeiter, Bierfahrer und Gärtner jobbte, ging schließlich zum Kabarett und etablierte sich in der Blödel-Abteilung des deutschen Entertainments.
Nun bekam er also diesen schönen Preis – und was machte er? Er riss einen Witz:
„Für diejenigen, die eben diesen satirischen Humor haben: Diese österreichische Lola, diese österreichische Romy natürlich, führe ich heim ins Reich.“
Uihh, da hatte er aber den Fettnapf getroffen.
Der ebenfalls zu ehrende André Heller, eher ein Kind von Traurigkeit, mochte den Hallervorden gar nicht mehr angucken, und das ORF belehrte seine Kunden, dass der Hallervorden da was ganz Schlimmes gesagt hatte: “Mit dem Slogan ,Heim ins Reich’ warben die Nationalsozialisten einst unter anderem für den Anschluss Österreichs an Deutschland.”
Was noch schwerer wiegt. Dieser Piefke, dieser Didi-Fuzzi, hat sogar die Chuzpe, sich zu erklären. Und das im “Kurier”, einem österreichischen Presse-Organ. Er sagt:
Nicht genug? Nein, der Didi setzt noch einen drauf:
“Ich denke, man muss endlich verstehen, dass sich Deutschland immer – und das zu Recht – glühende Kohlen aufs Haupt häuft und sich zur Schuld bekennt, während die Österreicher immer so tun, als wären sie nicht dabei gewesen.”
Dann kratzt sich der Fast-Achtziger die Zausehaare und schiebt an der Brille rum.
Irgendwie steht sie ihm prächtig. Es ist die Brille eines unbequemen Denkers. Es sind die Augengläser eines klugen Mannes.