CARLO GRANTELOTTI

 

münchen/berlin, 4. dezember 2016   —  In den vergangenen Wochen hat Carlo Ancelotti, der Trainer des FC Bayern München, sein leutseliges Gesicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit getragen. Bei Pressekonferenzen, vor, während und nach Spielen trat er mit Sorgenfalten auf der Stirn und strengem Blick auf. Manchmal zog er gar eine Augenbraue hoch – das sind Momente, in denen man dem Mann nicht zu nahe treten darf. Dann ist er grantig.

Herr Ancelotti war schon immer so. Er ist ein lebenslustiger Zeitgenosse, für den freilich vor dem Feiern die harte Arbeit kommt. Im ausgehenden Jahr 2016 gibt es für den Trainer Ancelotti nicht viele Anlässe zum Lachen. Mürrisch treibt er seine Truppe zu mühsamen Siegen. Und muss zusehen, wie diese maledetti ragazzi aus Leipzig die Liga aufmischen – wenn nötig, mit „Schwalben“, wie beim jüngsten 2-1-Sieg gegen Schalke gestern Abend.

Aber Carlo beißt sich durch. Nichts kommt von nichts. So hat er es gelernt.

Also, zurück zu den Wurzeln (Auszug aus „CARLO ANCELOTTI – DIE BIOGRAPHIE“, erschienen 2016 im Riva Verlag):

 

 

Reggiolo, die Emilia Romagna, bleiben in Ancelottis Fühlen und Denken, wo immer er auch gerade arbeitet. Das hat in Parma angefangen, das bleibt ihm in Rom, Turin, Mailand, Chelsea, Paris oder Madrid. Er erinnert sich gern an die Gerüche und die Geräusche der Heimat.

Und er bewahrt die Werte, die ihm bei den Salesianern und in der Armee beigebracht worden sind. Die Salesianer haben sich vor Allem um Jungen aus ärmeren Familien gekümmert.

Geprägt hat Carletto vor allem die Lektüre über das Leben des Paters Pius von Pietrelcina. Der kam 1887 zur Welt, war ein kränkelndes Kind, trat früh den Kapuzinern bei. Beim Volk wurde er als Wunderheiler verehrt, der Vatikan bekämpfte diesen Ruf lange Zeit. Er lebte in Armut, wurde zu einem Glaubens-Helden zu Lebzeiten. Als er 81-jährig starb, kamen im September 1968 rund 100000 Menschen zu seiner Beerdigung. 1997 erklärte ihn der Heilige Stuhl zum „Ehrwürdigen Diener Gottes“, am 2. Mai 1999 wurde Pater Pio seliggesprochen. Heiligsprechung:  am 16. Juni 2002.

„Er war ein mutiger Mann. Pater Pius wirkte Wunder, sein Leben berührt mich sehr. Und seine Leitsätze helfen vielen Menschen. Ich selbst glaube an Gott. Ja, ab und zu bete ich.

Ich bete – aber da geht es um wichtige persönliche Dinge. Wegen des Fußballs würde ich nie beten. Ich glaube, Gott hat wichtigere Dinge zu tun, als sich um Fußball zu kümmern.“

 

Carlo Ancelotti liebt Filme, in den Al Pacino vor der Kamera steht.

Al Pacino, geboren in Manhattan, ist der Sohn von Salvatore Pacino, geboren in der sizilianischen Stadt Corleone, und von Rose Gerard, der Tochter eines italienischen Einwanderers und einer italienisch-amerikanischen Mutter, die in New York geboren wurde.

Seine Eltern lassen sich scheiden, als er zwei Jahre alt ist. Danach ziehen Al und seine Mutter in die Bronx, Pacino wächst bei seinen sizilianischen Großeltern, die aus der Heimatstadt seines Vaters eingewandert sind, auf.

Schon mit zehn will er raus, raus raus aus den Bronx. Er verdient Geld als Platzanweiser im Kino. Nimmt jeden Job und jede Wette an.

Pacino ist ein Underdog ohne Zukunft. Doch er wird es bis Hollywood und weiter bringen.

 

Carlo Ancelotti könnte Mario Puzos „Der Pate“ wieder und wieder lesen und sehen. In dem Stoff verliert er sich. Was für ein Könner, dieser Puzo!

Der Schriftsteller Mario Gianluigi Puzo wird als Sohn von Eltern italienischer Abstammung am 15. Oktober 1920 in New York City geboren und wächst im Stadtteil Little Italy auf. Little Italy, das ist Bandenkrieg und der Schauplatz vieler Szenen aus dem „Paten“. Das ist die Heimat des Robert de Niro. Das ist dort, wo das Recht des Stärkeren regiert und die Armut nistet. Armut in vielen Wohnungen und vielen Familien.

Sein Vater, ein Gleisarbeiter, verlässt die Familie, da ist Mario zwölf. Der Junge muss neben der Schule Geld verdienen.

Mario meldet sich im Zweiten Weltkrieg freiwillig als Soldat, ist unter anderem auch in Deutschland stationiert. Egal, wohin die Armee marschiert, jedes Ziel ist besser als back in little Italy.

Der Weg des Mario Puzo ist eine Sackgasse. Trotzdem geht er vorwärts und wird zu einem der erfolgreichsten Bestsellerautoren der Welt.

 

 

Ein Buch wie „Der Pate“ kann zur Sucht werden. Dann schmökerst Du drin, bis die Seiten zerfleddern. Und es bleiben ewige Sätze. Sätze, die auch das Leben des Carlo Ancelotti  auf einen Nenner bringen. Zum Beispiel:

„Hasse niemals deine Gegner. Das beeinflusst deine Entscheidungen.“

„Der einzige Reichtum auf dieser Welt sind Kinder, mehr als alles Geld, Macht auf Erden.“

„Herausragende Männer werden nicht so geboren, sie werden so.“

„Macht ist nicht alles, sie ist das einzige.“

„Ich habe immer daran geglaubt, dass Nächstenliebe in jeder Form profitabel ist – sowohl persönlich als auch grundsätzlich.“

„Freundschaft und Geld: Öl und Wasser.“

„Geld ist eine Waffe. Politk bedeutet zu wissen, wann man abdrückt.“

„Selbst der stärkste Mann braucht Freunde.“

„Ein Anwalt mit einer Brieftasche kann mehr stehlen als tausend Männer mit Waffen.“

Das sind Sätze, wie in Stein gemeißelt. Jeden einzelnen könnte Puzo über Mario Ancelotti, den Fußball-Mann, geschrieben haben.

 

In seinen Londoner Tagen – da ist er schon der große „Erfolgstrainer“ – redet Carlo Ancelotti auch einmal über seinen Ehrgeiz, sein schweres Ankommen in der weiten Welt und seinen Glauben.

Schon früh verlässt er das Elternhaus. Nun ist er erst einmal ohne Bezugsperson.

In der Neuen Welt der Erwachsenen wartet kaum jemand auf einen dürren Buben aus der Provinz, der zwar beeindruckend Fußball spielt und von einem bemerkenswerten Ehrgeiz und großer Disziplin voran getrieben wird. Aber er ist eben auch das „Landei“. Kommt in Rom an und kriegt den Dialekt eines Tölpels vom Lande nicht weg. Der wird zur Lachnummer, wenn der Schiri abgepfiffen hat.

Carletto redet und bewegt sich wie ein junger „Don Camillo“. Ein Typ zum Wiehern.

„War nicht so leicht damals. Wenn ich bei Rom in die Umkleide kam, und da saßen all diese Helden aus der Ersten und grinsten mich an – da hätte ich mich am liebsten verkrochen. Ich war 15, weit von zuhause weg. Mutter und Vater nicht da, Mann das war hart. Aber ich musste durch, also habe ich mich an all das gewöhnt. Das Fremdeln. Die Einsamkeit. Das Kämpfen.“

Geholfen hat ihm der Sport. Das war ja der Grund, warum er sich in die Fremde aufgemacht hatte.

„Ich liebte den Fußball, ich konnte das nächste Training gar nicht erwarten. Da war ich besessen und wollte ständig dazu lernen. Meinen Dialekt jedoch habe ich nicht abgelegt. Den kann ich nicht vergessen und ich will es nicht. Ich habe mit meinem Vater bis zu seinem Tod im September 2010 im Dialekt gesprochen, wenn ich in Reggiolo zu Besuch war.“

Morgen: Papa Ancelotti und der böse Bube