ZEITMASCHINE

berlin, 2. april 2015

Das Leben des Bernhard Grzimek wird verfilmt. Fast drei Stunden mächtig ist das “Biopic” geworden, das am Karfreitag um viertel nach acht von der ARD ausgestrahlt wird. Die Macher sind zuversichtlich, dass sie damit sehr viele Zuschauer ködern und halten können. Sie bedienen die wachsende Lust der Menschen am Vergangenen, das Sich-Zurück-Träumen in Zeiten, als es noch keine Handys, kein Google, keine Fußball-Millionarios gab. Da roch es noch nach Mottenpulver, Schwul-Sein war bähbäh, und die Wirtschaft barg ihre Wunder. Eigentlich, so möchte man meinen, sind diese Zeiten längst vorbei, lang vergessen. OUT. Aber nun kramen die Fernsehmacher verstaubte Biographien aus – und viele Menschen finden es fesselnd. Macht uns das nachdenklich?

Hauptdarsteller des “Grzimek”-Films ist Ulrich Tukur. Der kann gut nachdenken und nimmt nur Rollen an, die er spannend findet. Den Tierfreund Grzimek wollte er unbedingt darstellen. Endlich mal Leben vor der Kamera!

“Sehr vieles, was wir jetzt im Fernsehen erleben, ist zum Sterben langweilig, abgesichert bis ins Letzte von fantasielosen, ängstlichen Redakteuren, totes Zeug.“

Ganz anders die Szenen, die das Leben für diesen Grzimek geschrieben hat. “Der ist immer live gewesen. Das hat gelebt damals.” Auch im Fernsehen, in „Ein Platz für Tiere“ (1956-1987). “Es ist rührend, wie er, wenn es schief lief, versuchte zu retten, was zu retten war. Das ist teilweise zum Schreien komisch, und es ist wunderbar menschlich.”

Alsdenn, Rückblick aufs reale Leben in den Fünfzigern.

Grzimek hat Familie (um die er sich erst kümmert, wenn all seine Tiere versorgt sind), hat sich durch die Wirren der Nazizeit geschlagen, hat inmitten von Kriegstrümmern den Frankfurter Zoo für die Besucher zu einer Insel ders kleinen Friedens gemacht.

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Auf nach Afrika!

 

Er ist 40 und er weiß: Jetzt kommt das Beste. Er startet sein großes Afrika-Abenteuer, vorerst, um dort Tiere für den Frankfurter Zoo zu fangen.

Sohn Michael (16) darf ihn begleiten.  1954 reisen die Beiden in den Kongo. Sie sehen die Elephantenjagd und die Gier nach Profit im Elfenbein. Grzimek schäumt vor Zorn.

Seine Familie bekommt Zuwachs. Er adoptiert Sohn Thomas. Zeitweilig leben acht Menschenaffen-Kinder im Haushalt. Grzimek findet das fabelhaft. Hilde hat die Arbeit. Fleissig schreibt er Bücher und nimmt seinen Job als Zoodirektor ernst und er seit 1956 hat er eine eigene Fernsehsendung beim HR. „ Ein Platz für Tiere“. 175 Folgen insgesamt –immer mit einem Wildtier im Schlepptau.

Mit 48 macht er den Flugschein, auch Sohn Michael lernt fliegen. Sie planen einen großen Film mit kleinem eigenen Budget. “Kein Platz für wilde Tiere”. Bundesfilmpreis! Ein Jahr später brechen sie auf in die Serengeti.

Mit einem Trick fliegen sie in der eigenen Dornier Do 27 nach Afrika. Erst in die Schweiz und dann weiter von Land zu Land Richtung Süden, eine Genehmigung hätten sie niemals bekommen. Beide brennen für den Tierfilm – und so wird das ehrgeizige Projekt „ Serengeti darf nicht sterben“ ohne Wenn und Aber realisiert.

Bei den Dreharbeiten stürzt Sohn Michael ab. Der Tod des Sohns stößt Bernhard Grzimek in eine tiefe Krise. Depressionen. Rückzug. Schweigen. Er spricht mit niemandem über seinen großen Kummer. Mit großer Disziplin stellt er den Film fertig, der als erster deutscher Film nach dem Krieg tatsächlich einen Oscar gewinnt.

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Wortreiche Sprachlosigkeit auf dem Grabstein des Sohnes.

 

Grzimek vergräbt sich in Arbeit. 1963 wird er Gründungsmitglied des WWF und lernt seine uneheliche Tochter Monika kennen, mit der er regelmäßig bis zu seinem Tod Kontakt hält.

Er hat immer wieder neue Visionen. Er geht den Pelzträgerinnen an den Kragen. Er ist der Erste, der sich gegen das brutale Abschlachten der Robben einsetzt und im Fernsehen einen Film darüber zeigt. Er schreibt Gina Lollobrigida einen offenen Brief, sie möge keinen Leopard mehr tragen.

Wie er’s mit den Menschen hält? Grzimek ist charmant und eloquent, er glänzt bei Verhandlungen, er ist ein eitler Selbstdarsteller – aber ein verlässlicher Freund und Partner ist er nicht. Um die Ehe ist es nicht mehr gut bestellt, er lässt sich 1973 scheiden.

Und dann dieser Skandal!

Bernhard Grzimek, dieser Typ mit schütterem Haar und der Attitüde eines Edeka-Filialleiters, zieht mit seiner Schwiegertochter zusammen, die er heiratet und deren Söhne (Michaels Söhne) er adoptiert.

Am 13. März 1987 liefert er seine letzte Schlagzeile. Bernhard Grzimek erleidet während der Tigernummer im Zirkus Althoff einen Herzanfall, er ist sofort tot. Seine Urne wird neben seinem Sohn am Ngorongoro beigesetzt.

Das war’s.

Wende. Mauerfall. Internet. Smartphone. Nine-Eleven. Die Welt dreht sich immer schneller – und der große Bernhard Grzimek fliegt aus dem Karussell. Vergessen-Werden geht heute rasend flott.

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Was bleibt!

 

Doch nun investiert die ARD 180 Minuten Film und einen Themenabend in Bernhard Grzimek. Warum nur, 28 Jahre nach dem Tod des Tierfreunds der Nation?, fragt der “Tagesspiegel”.

Vielleicht, weil es der Grzimek so mit den Frauen konnte?

Könnte sein, mutmaßt der “Tagesspiegel”. Und freut sich schon einmal auf den Hauptdarsteller: “Es ist leicht nachvollziehbar, warum die Rolle des Frauenlieblings Grzimek gerade mit Ulrich Tukur besetzt wurde. Doch das Engagement hat eine Schattenseite: Vor lauter Tukur bleibt die Hauptfigur des Films nur verschwommen. Wer an Bernhard Grzimek denkt, hört beinahe automatisch seine näselnde Aussprache, die fest mit der professoralen Aura des Tierforschers verbunden ist. Im Film wird hingegen darauf verzichtet, diesen Grzimek-Sound zu imitieren. Die leicht trockene Art der TV-Legende Grzimek wird durch Tukurs warmherzige Ausstrahlung ersetzt. Aber vielleicht musste man das fast dreißig Jahre nach dem Tod von Grzimek auch genau so spielen.”

Warten wir’s ab. Morgen im Ersten, viertel nach acht: Einsteigen in die Zeitmaschine!