WÜTEN

TANZ DER VIREN

30. Mai

Um zwei Uhr nachmittags setzt sich in einem Berliner Studio der Pianist Igor Lewitt an den Flügel und beginnt zu spielen. Er interpretiert  Eric Saties „Vexations“ (Tempo: „sehr langsam“). Vexations: Quälereien. Passt auf eine Notenseite, hat 840 Wiederholungen.

Lewitt hat die Notenblätter mit jeder einzelnen Wiederholung neben sich auf dem Flügel gestapelt. Nach dem Ende einer Wiederholung lässt er jedes Blatt auf den Boden fallen und geht zum nächsten über. Dazwischen isst er eine Erdnuss oder trinkt einen Mineraldrink.

„Diese Zeit, sie ist für uns Künstler brutal – körperlich, mental, emotional. Und deswegen, glaube ich, passt dieses Werk so gut: um die Aufmerksamkeit auf den Zustand zu richten, in dem wir uns befinden.“

Lewitt ist ein kluger Mann. Ein streitbarer. Ein großer Künstler. Und so hilflos-wütend derzeit.