KRAUT-FUNDING

lindow, 28. märz 2015

Gestern war der Maulwurf der Böse, heute ist in der kleinen “Journal”-Reihe “Natur pur” (anlässlich eines nahenden Frühlings) das Springkraut als Feind im Fokus. Wie bitte? mögen unbedarfte Liebhaber schöner Farben nachfragen. Das Springkraut? Ist es nicht wunderherrlich anzusehen, von großer Anmut und eine Zierde der Schöpfung? Das können nur Banausen so sehen. Das Springkraut ist: Böse! Barbarenwild! Eine echte Bedrohung unserer guten Garten-Welt! 

Nachbar Lothar kennt sich echt gut aus mit dem Düngen und dem Jäten, mit dem Pflanzen und Ernten. Wer Rat sucht, geht am besten zu Lothar – der weiß Bescheid.

Nur einmal hat er einen grässlichen Fehler gemacht. Er besuchte – das begab sich kurz nach der Wende – einen Bekannten in Baden-Württemberg und hat dort eine wunderschöne Pflanze entdeckt.

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Das Böse im schönen Schein. FOTOS: BARBARA VOLKMER

 

Das Drüsige Springkraut (impatiens glandulifera), auch Indisches Springkraut, Rotes Springkraut, Emscherorchidee oder Wupperorchidee genannt, aus der Gattung der “Balsaminengewächse”. Kommt aus Indien, als Zierpflanze wurde es im 19. Jahrhundert auch in Nordamerika und Europa eingebürgert. Wächst, wo es feucht ist.

Lothar aus Lindow buddelte zwei Württemberger Pflanzen aus und überführte sie nach Lindow in Brandenburg.

Damals gab es noch kein Internet, vielleicht hätte Lothar, der sich heute gern im Netz rum treibt, den Fehler nicht gemacht. Heute zumindest wird beim Stichwort “Springkraut” www-Alarm gegeben.

Die Spezialisten von “Zuhause” zum Beispiel warnen:

“Eine einzige Pflanze produziert über 2000 Samen in einem Jahr, die für mehrere Jahre keimfähig bleiben. Besonders gut verbreitet sich das Springkraut, weil die Samen über Schleuderkapseln in einem weiten Umkreis verteilt werden. Wenn man eine der Schoten berührt, werden die darin befindlichen Samen explosionsartig in die Gegend geschleudert – bis zu sieben Meter weit. Im nächsten Frühjahr erwächst daraus eine neue Pflanze.

Wo das robuste Kraut sich niederlässt, verdrängt es die gesamte ursprüngliche Vegetation. Springkraut verbreitet sich häufig auch über Flüsse und Bäche und siedelt sich bevorzugt an deren feuchten und nährstoffreichen Ufern an. Wenn im Herbst dann die einjährige Springkrautpflanze abstirbt, sind keine anderen Pflanzen mehr vorhanden, um das Ufer zu befestigen. Es droht Erosion.”

Lothar ist schuld, dass jetzt am See der Kampf gegen das Springkraut geführt werden muss. Die Gärtner streifen die Handschuhe an und entwurzeln, Staude für Staude, die feindliche Armada. Das ist mühsam und frustrierend. Springkraut am Teich, Springkraut am Bach, Springkraut in der Hecke und neben den Beeten. Fluchen könnt’ man ohn’ Unterlass. Man hat das Gefühl, das verfluchte Springkraut wächst einem schon zu den Ohren raus.

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Das Springkraut stiehlt einheimischen Pflanzen schon mal die Schau.

 

Es gibt eine Seite für Gartenfreunde im Internet, die selbst den übelsten Schmarotzern noch etwas Gutes abzugewinnen versucht. Doch selbst da tun sich die Verfasser mit Loben schwer, wenn es ums Springkraut geht:

“Für Kinder ist das Springkraut eine wahre Wonne. Denn wenn man die reifen Schoten mit spitzen Fingerchen berührt, platzen sie auf und schleudern ihre Samen in die Umgebung. Das Aufplatzen kitzelt lustig an den Fingern und man bekommt kaum genug von diesem Vergnügen.

Erwachsene freuen sich wohl eher an den wunderschönen Blüten des Springkrautes.

Doch Botaniker und Naturschützer sind ganz entsetzt von der starken Vermehrung dieses indischen Fremdlings. Denn das Springkraut wuchert mit seiner Wuchskraft Ufer und Waldränder zu und verdrängt die heimische Flora.”

Im Klartext: Das Springkraut ist eine Heimsuchung!

Nicht mal als Heilpflanze macht es was her. Der Naturdoktor hat das Springkraut mit Sicherheit nicht auf der Favoritenliste. Dringend gewarnt wird vor innerlicher Anwendung, die Einnahme der Pflanze zieht Erbrechen und extremen Harndrang nach sich. Allenfalls äußerlich hilft es bei Hämorrhoiden, Hautirritationen oder Wiesendermatitis. Will man da wirklich eine Paste herstellen, verwende man die Blätter und Samen und vertraue anschließend auf die Wirkung von Öl, Tannin und Säure.

Aber, mal ehrlich: Angeratener ist es, dem schönen Kraut einen kolossalen Kampf anzusagen. Weg damit! Das Vorgehen gegen das Springkraut ist ein Total-Feldzug. Und das, bevor die Biester in Blüte stehen.

Alles muss raus! Springkraut-Wurzeln sind nicht sehr zäh, ein Anreißen an der Staude genügt – und der Geselle ist aus dem Boden. Danach gehört die gekillte Pflanze mit Stumpf und Stiel in den Sondermüll. Die vermehrt sich nämlich noch, wenn alles Leben ausgehaucht scheint. Gegen die Überlebenskünste des Springkrauts kann auch eine Hydra nicht anstinken. Selbst Kakerlaken geben schneller den Löffel ab.

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Doch Vorsicht! Hinter der liebreizenden Larve verbirgt sich ein teuflisch’ Wesen.

 

Alljährlich wischen sich nach dem Gefecht die Gärtner von Lindow den Schweiß von der Stirn und murmeln: “Das war’s, Du Mistkraut. Diesmal hab’ ich Dich platt gemacht.

Doch wenn im Frühjahr die Natur ins Kraut schießt, steht es wieder da. In voller Pracht. Und selbst Lothar muss die Handschuhe anziehen und zugeben: “Gegen das Zeug kommste nicht an.”