AUSZEIT

berlin, 4. märz 2016

Es ist gleich elf. In der “Bülowkneipe” steht einer am Automaten und verdaddelt auf die Schnelle 50 Euro. Zwei Gerüstbauer sitzen am Fenster und freuen sich, dass der Chef wichtiges Material in Potsdam vergessen hat. Jetzt sind er und sein Kollege unterwegs, um die Sachen zu holen.

Das wird dauern. “Marlene, haste noch eins?” Marlene bringt lächelnd zwei Bier.

Die üblichen Vormittags-Trinker stieren ins Glas. Es ist still. Draußen rauscht der Verkehr, im Gastraum fiept der Glücks-Kasten. “Prost”, sagt der ältere der Gerüstbauer. “Prost”, antwortet der Kollege.

Die Tür wird aufgestoßen.

Und Leben ist in der Bude. Drei Schnapsdrosseln und ein Begleiter. Der Mann hat kaum noch Zähne und ist nicht von Belang. Die Frauen sehen mitgenommen aus, zwei lallen, eine sieht sich nach einem Mann um.

“Die Betrunkenste fischt Kleingeld aus der Handtasche und lehnt sich gegen den Musikautomaten. “Wolln wir ma sehn.”

Sie tippt die Zahlen. Daliah Lavi beginnt:

“Wer hat mein Lied so zerstört?”

Die drei Frauen singen: “Wer hat mein Lied so zerstört?”

“Vielleicht werde ich bald verstehn.” – “Vielleicht werde ich bald verstehn.”

Die drei kennen jede Zeile der Lavi’schen Verzweiflung.

Draußen fahren Busse vorbei, die Sonne kämpft sich in die Stadt. Drinnen riecht es nach Bier, und drei abgewirtschaftete Frauen werden vor lauter Trunkenheit nicht müde.

Der ältere Gerüstbauer fordert die Schwarzhaarige zum Tanzen auf. Er trägt sein Werkzeug an einem Gürtel wie eine Reihe Colts. Er drückt sich fest an die Frau, sie lässt ihn. Der Jüngere bestellt noch ein Bier bei Marlene.

Bald ist Mittag. Anfang März. Das Leben geht weiter, da draußen in den gelben Bussen und so.

Im “Bülow” nimmt sich das Leben eine kleine Auszeit.