WOLFES BRUDER
berlin, 1. april 2015
Das “Erste” hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um den Film, der um viertel nach acht am Karfreitag in die deutschen Wohnzimmer geliefert wird, gebührend vorab zu loben. “In der Titelrolle spielt Ulrich Tukur Professor Grzimek beeindruckend facettenreich. Barbara Auer und Katharina Schüttler verkörpern als Hilde und Erika die beiden prägenden Frauen in Grzimeks Leben und glänzen in ihren Rollen. Regisseur Roland Suso Richter feierte mit ,Die Spiegel-Affäre’ einen großen Erfolg.” Soso! Muss ja ein toller Film sein, dieser “Grzimek”. Surft auf der Vintage-Welle. Weltkrieg ist klasse, Zonengrenze ist geil, Augstein macht auch was her. Mal schauen, ob der Tier-Heini, der schon fast vergessen war, auch Quote macht…
Zur Vorbereitung auf den Themenabend der ARD ist vielleicht eine kurze Reminiszenz an die Hauptfigur des Films ganz hilfreich.
Gestatten: Bernhard Grzimek.
Veterinär und Verhaltensforscher. Zoodirektor und Fernsehmoderator. Naturschützer und erster deutscher Oscar-Gewinner nach dem Krieg. Abenteurer. Scherzartikelfan. Frauenheld. Bestseller-Autor.

En passant in Hollywood geehrt. Für “Serengeti darf nicht sterben” hat Grzimek den Oscar bekommen.
Markenzeichen: näselnde Stimme, breiter Scheitel und immer ein Tier im Arm. Grzimek – das ist der aus dem Loriot-Sketch “Die Steinlaus“
Geboren am 24. April 1909 in Neiße, Oberschlesien. Bernhard hatte fünf Geschwister, machte Abi, seine Mitschüler nannten ihn “Igel”, weil er auf Igel stand. Hübsch war er nicht, aber er wusste, wie man’s mit den Mädchen macht. Das Heiraten ging er schnell an, mit 21 Jahren, noch während des Studiums der Tiermedizin, zog er seine Jugendliebe Hildegard Prüfer vors Standesamt.
Er wurde bereits mit 19 Jahren für volljährig erklärt, denn sein Vater war früh verstorben und er musste zum Erhalt der Familie beitragen. So jobbte er während des Studiums in Erkner bei Berlin in einem landwirtschaftlichen Betrieb und Spargelanbau.
Anfang der 1930er Jahre arbeitete er als Sachverständiger im Preußischen Landwirtschaftsministerium. Er war der Experte, der deutsche Eier “lagerfähig” machen sollte. Ist ja wohl in Vergessenheit geraten, dass Grzimek die Eierstandardisierung und Kühlung eingeführt hat.
Ja, das war er!
Geschrieben hat er wie getrieben. Bücher über Geflügelkrankheiten, die bei Ullstein bis in die Sechziger Jahre verlegt wurden. Beiträge für Zeitschriften.
Er will was werden. Weiß nicht genau, was, aber das bekümmert ihn kaum.
Hitler an der Macht, Grzimek macht sein Ding. Nimmt zum Ärger der Nachbarn ein FKK-Sonnenbad im Garten. Er schläft wenig, raucht und liebt Süßigkeiten, Frau Hilde hilft bei den Manuskripten. Er liebt Verhaltensforschung bei Tieren, hat zuhause einen Wolf. “Dschingis” – mit dem fährt er Strassenbahn, aber der Kumpel muss dann immer kotzen. Trotzdem: Ein zahmer Wolf, wie cool ist das! Den “Dschingis” leiht er Leni Riefenstahl für einen Film und bekommt ihn nicht zurück. Egal, neue Wölfe kommen ins Haus, neue Verhaltensforschung wird betrieben. Ula, sein erstes Schimpansenbaby, lebt mit der Familie und muss nachts in den Keller.
Im zweiten Weltkrieg arbeitet Grzimek meist in Berlin als Veterinär bei der Wehrmacht, findet heraus, dass Pferde eine Farbwahrnehmung haben. Seine Familie bringt er ins Allgäu. Er wird eingezogen, verwundet. 1945 stehen die Nazis vor der Tür, weil er versteckte Juden mit Lebensmitteln versorgt hat.
Und er hat eine Geliebte, mit der er zwei Kinder zeugt (Monika und Cornelius, zu der er sich nicht bekennt und die er erst als Erwachsenen kennenlernt).
Kriegsende.
Grzimek flüchtet über das Ruhrgebiet nach Frankfurt, wo er den Job als Zoodirektor ergattert. Er lässt die kaputten Zoogebäude reparieren und die Bombenkrater einebnen und eröffnet schon am 1. Juli 1945. Gaukler, Tiere, Sensationen – als ob nicht das ganze Land in Schutt und Asche läge. Dem jungen Hans Joachim Kulenkampff verschafft Grzimek einen Job. Die Amis lächeln über seine Umtriebigkeit. Ein drolliger Direktor ist das. Hält in der Dienstwohnung sogar Tiere. Und ist immer dort, wo was los ist. Bernhard Grzimek fotografiert und publiziert. Zur Geldbeschaffung für den Zoo fällt ihm immer was Neues ein. Fahrgeschäfte, die im Krieg nicht mehr in Betrieb waren, werden in Betrieb genommen, auch einen Kinosaal gibt’s und eine Zoolotterie. Die Besucher strömen in Scharen.
Aber dieser Grzimek hat so eine Vision: Er will was werden. Weiß noch nicht genau, was. Aber egal…
Vielleicht schaut er sich mal bei den Schwarzen um.
Als 1951 das Visum eintrifft, das ihn das erste Mal nach Afrika bringen wird, weiß er gar nicht recht, wohin mit der Euphorie. Umarmt in übergroßer Heftigkeit seine Hilde. Schimpansendame Kathrin, die gerade in Hildes Arm sitzt, ist darob so aufgebracht, dass sie ihn beißt. Also erst mal ins Krankenhaus.

Afrique, mon amour! Ulrich Tujur gibt den Grzimek. Tolle Rolle für einen Schauspieler, denn der Grzimek als Hansdampf in vielen Gassen ist eine ergiebige Vorlage.
Aber dann:
Afrika!
Der Kontinent, der ihn nie mehr loslassen wird. Dort wird er sich austoben können mit seinen Visionen…
Morgen: Geburt, Vergessen – und Comeback eines Stars