KLEIN VEGAS
kleinhaugsdorf, 23. märz 2015
Der Hund auf der Rückbank ist fix und foxy. Eben noch blinzelte er dösend ins wellige Weinviertel. Jetzt, beim Grenzübertritt von Österreich nach Tschechien, springt er gegen die Scheibe an, kläfft, knurrt, krawalliert, will raus. Dort draußen am Straßenrand hat er massenhaft feindliches Getier ausgemacht. Kühe, Löwen, Köter, ein Krokodil gar. Wie bitte? Zuviel des Roten aus der Region und nun weiße Mäuse? Nein, Herrschaften, wir sind in Kleinhaugsdorf am Grenzübergang – und das ist ein wahrhaft bizarrer Flecken Europa.
Kleinhaugsdorf. Hier ist Schluss mit Österreich, aber der Autofahrer darf ohne Pass nach Tschechien.
Das war nicht immer so. In Kleinhaugsdorf war mal der Westen zu Ende. Hüben das gemütliche Austria und das nahe Wien. Drüben das kalte graue Kommunistenland, mit dem fernen Prag als Metropole.
Heute ist Kleinhaugsdorf grenzenlos freundlich. Auf der Homepage ist zu lesen: “Die Geschichte der Siedlung, auf deren Boden der heutige Markt Haugsdorf liegt, verliert sich im Dunkel der vorgeschichtlichen Zeit. Einige Gräberfunde aus der Bronzezeit deuten auf uralten Kulturboden hin, die Besiedlung des Ortes ist jedoch erst in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts anzunehmen. Urkundlich wird Haugsdorf erstmals 1108 erwähnt, das Marktrecht wird Haugsdorf im Jahre 1357 verliehen.
Das Haugsdorfer Gemeindegebiet umfasst 21,5 Quadratkilometer. Die Bevölkerungszahl der Gemeinde beträgt 1599 (lt. letzter Volkszählung) hinzu kommen noch 301 Zweitwohnsitzer.
Haugsdorf liegt 204 m über dem Meeresspiegel. Die höchste Erhebung ist der Hutberg mit 296 m – von hier bietet sich eine gute Fernsicht nach Osten zu den Pollauerbergen und den Karpaten im Süden bis Ötscher Rax und Schneeberg.”
Nicht so gern spricht man über den sündhaften Grenzübergang. Diesen Ort, an dem mal ein europäisches Las Vegas entstehen sollte. So hatten sich das deutsche, österreichische und tschechische Glücksritter ausgemalt.
Die Täume sind geplatzt. Heute verlieren sich die Spieler im Casino, die Kids finden die Attraktionen so gar nicht so cool wie Disneyland. Nur die Huren haben ein gutes Discount-Geschäft – und einen großen Rest des Business hat der Vietnames übernommen.
Kleinhaugsdorf!
Weiter fahren bitteschön!
Nicht mit “sputnik”. Der kläfft zum Fenster hinaus. Er will an die Luft. Mal schnuppern, was Sache ist.

Die Reise nach Berlin ist noch lang. Zumindest Österreich ist zu Ende… FOTOS: BARBARA VOLKMER

Road Movie für Ost-Fahrer. Billiger Sex, weites Land, einsames Getier. Die Geier sind sicher auch irgendwo.

High Noon. Boarderline. 23. März. Kleinhaugsdorf. Achtung, Gefahr. Gleißende Sonne. Keine Wolke am Himmel, kein Mensch vorm Saloon.

Hells Gate made in Kleinhaugsdorf.

Hey, was’n das? Übles Gelichter, Pack am Straßenrand. Strauchdiebe, vierbeinige!

Mal seh’n, was Sache ist. Nur keine Bange!

Wenn Du glaubst, ich kneif’ den Schwanz ein, dann kannste lange warten (glaub’ ich mal).

“Auf den Zahn fühlen” nennt man sowas wohl.

Puh! Rachen-Geruch!

Schon freundlicher, dieser Vietnam-Harem.

Oben ohne ist hier sehr beliebt.

Traditionell bedeckt geben sich freilich die fröhlichen Rot-Armisten von Haugsdorf.

An der Grenze mag man Böll – und nicht nur zur Weihnachtszeit.

Endstation Kleinhaugsdorf. Hier ist die Welt am Ende. Jedenfalls für die Glücksritter, die hier mit einem europäischen Las Vegas Bruchlandung machten.

Trübe Aussichten. Große Sprünge macht hier niemand mehr.

Die Luft ist raus.

Oder doch nicht. Huch!

Das wird wohl nichts mit den neuen Kumpels.

Außerdem: “sputnik” nach Hause! “sputnik” hat Durst! “sputnik” hat Kohldampf! “sputnik” wilwillwill! Und…

“sputnik” muss mal. Es lockt ein weites Feld.