DIE KAPUTT-MACHER
berlin, 17. Januar 2015
Ein Loch in der Küchenzeile. Die Spülmaschine hat den Geist aufgegeben. Dabei ist die Garantie gerade erst abgelaufen. Zufall? Oder doch ein Komplott der Industrie? So ganz abwegig sind die Verschwörungstheorien wirklich nicht. Vierter Aufzug eines Trauerstücks aus der deutschen Wirtschaft.
Büro des Verbraucherschützers
HERR V., die Aktentasche unterm Arm: Ich komme mir ja ein bisschen doof vor, aber ich ärgere mich so – und weiß nicht, wohin.
DER EXPERTE: Worum geht es?
HERR V.: Also, unsere Spülmaschine ist kaputt. Wir haben sie in die Reparatur geben müssen. Angeblich tut es die Pumpe nicht mehr. Aber wir haben das Gerät – das Teil hat elfhundert Euro gekostet und kommt von einem deutschen Markenhersteller – erst vor drei Jahren gekauft, und die Garantie ist gerade abgelaufen. Und ich werde den Verdacht nicht los…
EXPERTE: Dass da was nicht stimmt. Das kann ich verstehen. Wir bekommen es immer öfter mit diesem Problem zu tun. Die Grünen haben eine Studie zum Thema „Geplanter Verschleiß“ machen lassen. Da wird nachgewiesen, dass schon während der Herstellung bewusst Schwachstellen in Produkte eingebaut werden.
HERR V.: Ich glaube, davon habe ich gelesen.
EXPERTE: Mit Sicherheit. Das ist in der Presse ziemlich hoch gekocht.
Es gibt jede Menge Nachweise, dass für Einzelteile Material minderer Qualität verwendet wird oder dass die Konstruktion eines Produkts Reparaturen nicht zulässt oder nur zu einem unverhältnismäßig hohen Preis. Ganz neu ist das übrigens nicht.
HERR V.: Wie meinen Sie das?
EXPERTE: Naja, wir kennen den Fall, dass für einen Fernseher vier Jahre nach Markteinführung keine Ersatzteile mehr verfügbar sind.
Man könnte also meinen, das sei ein Ergebnis der modernen Wegwerfgesellschaft.
Überhaupt nicht – ein Paradebeispiel für „geplante Obsoleszenz“ ist ein Abkommen, das die größten Glühbirnenhersteller der Welt 1924 getroffen haben. Da legten sie fest, wie die Lebensdauer ihrer Birnen begrenzt werden sollte.
HERR V.: „Geplante Obsoleszenz?“
EXPERTE: Ja. Sie werden es nicht glauben, da kenne ich die saubere Erklärung auswendig: Es werden „bewusst Schwachstellen in das betreffende Produkt eingebaut oder Lösungen mit absehbarer Haltbarkeit und/oder Rohstoffe von minderer Qualität eingesetzt, die dazu führen, dass das Produkt schneller schad- oder fehlerhaft wird oder nicht mehr in vollem Umfang genutzt werden kann.“
Man kann es auch anders sagen: Hier machen sich die Ingenieure viele Gedanken, wie sie die Verbraucher am besten bescheißen können.
HERR V.: Toll.
EXPERTE: Belegt ist zum Beispiel der Fall eines Tintenstrahldruckers von Epson, der nach einer gewissen Zahl von Ausdrucken den Geist aufgab – weil ein Chip mitzählte und eine falsche Fehlermeldung produzierte. Reparatur viel zu teuer, hieß es dann in der Werkstatt, man riet zur billigeren Neuanschaffung. Mit der richtigen Software hätte man den alten Drucker leicht wieder in Schuss gebracht.
Oder Apple: Die Manager sind 2003 von tausenden Kunden per Sammelklage vor Gericht gezerrt worden, weil die iPods bewusst Akkus mit kurzer Lebensdauer installiert worden waren, die man nicht austauschen konnte. Der Konzern hat sich dann außergerichtlich mit den Klägern geeinigt.
Früher hat es kaum ein Handy oder einen Computer gegeben, die man nicht wieder flott bekommen hat. Davon können wir heute nur noch träumen. Geräte und Akkus werden oft so miteinander verklebt, dass sie nicht mehr einzeln repariert werden können. Geht ein Handy-Akku nicht mehr, ist das ganze Telefon Schrott. Dann hilft nur noch Wegschmeißen. Auch so „funktioniert“ geplante Obsoleszenz. Da wird mutwillig kaputt gemacht. Veschleiß ist gewollt, Betrug am Verbraucher auch.
HERR V.: Wir haben ja jetzt das Problem mit der Spülmaschine.
EXPERTE: Für uns nix Neues. Die Geschichte mit der Pumpe wird Sie 190 Euro kosten (dabei können Sie nicht mal sicher sein, ob da ein Teil wirklich ersetzt worden ist, Sie sind ja kein Fachmann).
Spülmaschinen sind sowieso ziemlich ergiebig für die Hersteller. Die Geschirrkörbe in Geschirrspülern zum Beispiel kosten im Reparaturfall 80 bis 100 Euro. Die Herstellkosten für einen solchen Geschirrkorb liegen bei drei Euro.

HERR V.: Und? Was sollen wir jetzt machen?
EXPERTE: Schwierig. Liegt tatsächlich ein Mangel nach Ablauf der Gewährleistungsfrist vor, besteht die Möglichkeit, den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Bei Verdacht auf geplante Obsoleszenz sollten Sie sich eine Verbraucherzentrale oder einen Anwalt wenden.
HERR V.: Wie groß sind da meine Chancen?
EXPERTE: Nicht so doll. Wir sind da noch nicht weit genug. Jetzt ist erstmal der Gesetzgeber gefragt.
Da könnten wir uns ein Beispiel an Frankreich nehmen:
Dort will die Regierung der geplanten Obsoleszenz mit einem neuen Gesetz beikommen. Nachgewiesene Fälle sollen dort künftig als Betrug mit bis zu zwei Jahren Haft und 300.000 Euro Geldstrafe geahndet werden können. Dazu muss ein Produkt bewusst so gebaut werden, dass mit dem Ziel, neuen Umsatz zu machen, die Lebensdauer künstlich verkürzt wird. Da kommen unangenehme Zeiten auf die Hersteller zu. Gottseidank.
Alle Antworten kommen von Wissenschaftlern, Verbraucherschützern und Politikern (da tun sich besonders engagierte Fachleute von Bündnis 90/Die Grünen hervor).
