BAZIS UND BLENDER
münchen, 6. märz 2015
Vor 150 Jahren hatte der Westfale Kaspar von Zumbusch, ein waschechter “Zuagroaster”, Anlass zum Feiern. Er hatte einen Bildhauer-Wettbewerb gewonnen – und in den folgenden zehn Jahren wurde nach seinem Entwurf das Maxmonument in Bronze gegossen. Seither wacht ein verblichener Volksmonarch majestätisch über die prachtvollste Pracht der Isarmetropole. Er drückt dabei auch mal ein Auge zu, beispielsweise an diesem 6. März, 150 Jahre nach der Zumbusch-Feier.
Fünf Tonnen wiegt Maximilian II. Fünf Meter hoch ist er von der Sohle bis zum welligen Scheitel. In fünf Metern Höhe steht er auf Meißener Granit. Und beobachtet ungerührt – bei Regen und bei Sonne, bei Schneetreiben und wenn es weißblau himmelt – das Treiben auf dem Kurz-Boulevard, der nach ihm benannt ist.
Maximilianstraße! Oh, Du Wahnsinns-Strasserl! Selbst die “Süddeutsche” staunt:
“Der durchschnittliche Preis für ungestörte Geschäfte: Knapp 300 Euro pro Quadratmeter. Weil der Nachfrageüberhang aber außerordentlich hoch ist, werden für einen 40 Quadratmeter-Schlauch schon mal monatliche 20.000 Euro geboten.”
Nicht genug damit:
“Ob sich ihr Laden rechnet, sei für Marken vom Kaliber Etro oder Jil Sander zweitrangig. “Ein Shop in der Maximilianstraße gehört zum Marketing. Wer oben mitschwimmt, will unbedingt vertreten sein.” Das wollen immer mehr. Viele Hausbesitzer zögern nicht lange. Und diejenigen mit hehren Prinzipien wie Treue zu langjährigen Mietern werden, das weiß die Maklerin Brigitte Landwehr, ,am Ende meistens über den Preis geködert’. Die maßgeschneiderten Maximilianhöfe am Marstall hätten die Monokultur stark befeuert.”

Schmuck, diese Straße!
Also, der Max Zwo rührt sich nicht, aber sehen tut er alles – wetten, dass?
Er sieht, wie sich die Fassaden der 300-Euro-Quadratmeter-Bauten in den Porsche-Hauben spiegeln.
Er sieht Dame in dem königlichen Nerz, die sinnend vor einer Auslage steht und sich nicht im Klaren ist, ob die Handtasche für drei schlappe Tausender noch in ihrer Kollektion fehlt. Streng lächelt sie, schüttelt leicht den Kopf, schürzt die Lippen und wendet sich auf dem Absatz. Weiter, weiter, sie wird doch wohl was finden, irgendwas.
Sie passiert einen Herrn in Designer-Jeans, der schnaufend einen Laptop aus dem klitzekleinen Stauraum seines Mercedes zerrt. Das Cabrio ist bei den Landeiern in Altötting angemeldet, der Herr hat eine frisch gegelte Frisur – nur blöd, dass hinten das Hemd aus der teuren Hose gerutscht ist und ein Fünfzentimeter-Streifen des Landei-Hinterns frei liegt. Das macht sich nicht fein in der Maximilianstraße.
Aber die Dame im Nerz schaut vornehm weg. Lieber widmet sie sich der nächsten Auslage und der nächsten und noch einer…

Guck, schöne Aussichten!
Uhren und Schmuck. Schuhe und Stiefelchen. Etuikleider und Country Sakkos. Schöne Künste und schöne Menschen.
Ach, überhaupt: so viele schöne Menschen. Zum Beispiel diese feurigen Heldinnen und Helden des Theaters. Angekommen in den Schaukästen der Maximilianstraße. Mehr geht nimmer.
Unter einer Reklame des staatlichen Kulturbetriebs kauert, die Füße angezogen, ein Mensch, der die Passanten mit zagem Blick verfolgt. Einer der Bettler auf der Prachtstraße. Sein Kaffee im Pappbecher ist kalt geworden, die Frauen und Männer im textilen Schick eilen vorbei. Es ist Mittagszeit, die Leut’ haben Hunger, mittags geben die Leut’ nicht viel.
Der Bettler sieht sich um.
Nicht viel Betrieb.
Langsam streckt der Mann die Beine aus. Er hat lange gerade Haxen. Schiebt sich an der Mauer des 300-Euro-Quadratmeter-Gebäudes hoch. Trottet unauffällig los. Biegt in eine Gasse hinterm Theater. Stellt sich in einen dusteren Eingang.

Fuck, beggar’s opera!
Er sieht nach links, schaut nach rechts. Kaum Menschen.
Dann zündet sich der Mann eine an. Pausen-Zigarette, das tut gut. Er seufzt zufrieden.
Keiner hat’s gesehen.
Ausser vielleicht Maximilian II. Der kann wahrscheinlich sogar ums Eck schauen. Aber der hält ‘s Maul.