AUS NEU MACH ALT
berlin, 15. januar 2015
Ein Loch in der Küchenzeile. Die Spülmaschine ist futsch. Die Besitzer verstehen die Welt nicht mehr. Gerade noch haben sie 1100 Euro für ein High-Tech-Gerät bezahlt – jetzt müssen sie sich beim Geschirr-Spülen schon wieder die Hände nass machen. Zweiter Aufzug eines Lehrstücks aus der deutschen Wirtschaft: Ein Fall fürs Handwerk.
Küche
HERR V.: Kommen Sie doch rein.
VORARBEITER: Dann sind wir mal so frei. Er zieht die Mütze von der Glatze, hinter ihm entert ein gedrungener junger Mann in Arbeitshose und dicker Jacke die Küche. Der Vorarbeiter öffnet die Tür der defekten Maschine, schaut hinein, der Handlanger bleibt im Hintergrund.
VORARBEITER: Und? Läuft nicht mehr?
HERR V.: Nein, Sie pumpt, aber es kommt kein Wasser.
VORABEITER: Aha. Alles klar.
FRAU V.: Dabei ist sie praktisch neu.
VORARBEITER: Wann haben Sie die gekauft?
HERR V.: Vor drei Jahren.
VORABEITER: Also, dann ist die Garantie…
HERR V.: …vor einem Monat abgelaufen.
VORARBEITER: Schöne Scheiße, das. Der Handlanger nickt.
FRAU V.: Das können Sie laut sagen.
VORARBEITER beugt sich ins Innere des Geräts, zieht und drückt irgendwo, taucht wieder auf. Schnaufend: Is die Umwälzpumpe. Haben wir immer wieder. Is ganz klar. Also, wir bauen das Teil jetzt aus, nehmen es mit, in der Werkstatt tauschen die die Pumpe aus. Macht 190 Euro, Anfahrtskosten entfallen. Und dann haben Sie wieder ‘ne neue Maschine.
HERR V.: Ganz schön teuer. Muss das denn sein?
VORARBEITER: Kann ich nix machen. Was haben Sie denn gezahlt? Das ist ja ein Markengerät, war sicher nicht billig.
FRAU V.: Elfhundert Euro.
VORARBEITER: Sehen Sie. Also: Sollen wir es ausbauen?
HERR V.: Naja, wenn es sein muss…
FRAU V.: Schatz, wollen wir vielleicht noch einen anderen Spezialisten kommen lassen?
VORABEITER: Der wird Ihnen auch nix Anderes sagen. Kaputt ist kaputt.
HERR V.: zögernd: Naja, dann machen Sie mal.
VORARBEITER zum Handlanger: Also, schraub’ sie ab. Pass mit dem Anschluss auf. Ist ein bisschen kompliziert. Den Schlauch von der Waschmaschine dichtest Du mit Frischhaltefolie ab. Zu Frau V.: Sie haben doch Frischhaltefolie?
FRAU V.: Ja. Kramt in einer Schublade.
Der Handlanger legt sich auf den Boden und schraubt schnaufend in den Eingeweiden der Küchenzeile herum. Der Vorarbeiter setzt sich ungefragt an den Tisch und beginnt, ein Formular auszufüllen. Das ist Routine, da bleibt noch Energie zum Reden.

VORARBEITER: Also, was sagen Sie, das war doch echt Scheiße, diese Schießerei mit Charlie da in Paris. Ich bin ja selbst Islami, nicht so echt gläubig, aber trotzdem. Und so einfach die Menschen abknallen – das geht ja wohl gar nicht.
Naja, das mit der Maschine, so’ne Sachen haben wir immer wieder. Die Maschinen haben doch alle ’ne Macke. Also, ich meine, die neuen Maschinen.
Vor Kurzem hatten wir eine Kundin, bei der hat die alte Spülmaschine gestreikt. War 30 Jahre alt, das Teil. Hab’ ich mir angeschaut und dann gesagt: ,Liebe Frau, das is’ nich’ so schlimm, das machen wir Ihnen gleich hier an Ort und Stelle.’ Hat ‘ne halbe Stunde gedauert – dann ist das Teil wieder eins-A gelaufen. Da haste reparieren können wie ein Weltmeister.
Die neuen Maschinen? Eine Katastrophe! Überall blöde Elektronik, Du kommst nicht an die Sachen ran, Du musst sie sofort in die Werkstatt bringen. Ich habe das Gefühl, die werden schon kaputt verkauft, irgendwie.
Naja, is’ nich meine Sorge. Meine Maschine hat zehn Jahre aufm Buckel – und da fehlt nix. Sag’ mal, da unten: Biste bald fertig?
Er schiebt den Reparaturauftrag über den Tisch. Wenn Sie bitte hier unterschreiben.
HERR V. liest alles durch und unterschreibt. Der Handlanger steht auf.
HANDLANGER: So! Wir können. Die Handwerker greifen die kaputte Maschine und tragen sie aus der Wohnung. Herr V. geleitet sie noch zur Tür. Sie treten auf den Gang.
HERR V.: Na dann, danke fürs Kommen.
VORARBEITER: Dafür nicht! Alles klar. Achso. Wir bringen sie in vier, fünf Tagen zurück. Der Chef ruft Sie an. Dass jemand da ist, wenn wir kommen.
HERR V.: Danke. Schönen Tag noch.
VORARBEITER: Auch so. Ach, bevor ich es vergesse: Sie können in den nächsten Tagen keine Wäsche waschen. Wir haben die Maschine abklemmen müssen. Ging nicht anders. Zum Handlanger: Jetzt aber mal los! Wir müssen weiter. Weg sind sie. Mitsamt Maschine.
FRAU V: Habe ich das richtig gehört? Die Waschmaschine geht nicht?
HERR V.: Hm!
FRAU V.: Naja, dann sehen wir das mal positiv. Wenn ich sie nicht benütze, geht sie auch nicht kaputt. Oder?
